zum Hauptinhalt
Ein Angeklagter im Prozess um den Juwelenraub im Grünen Gewölbe sitzt bei der Fortsetzung des Prozess im Verhandlungssaal im Landgericht auf seinem Platz.

© dpa/Sebastian Kahnert

Update

Nach „Deal“ mit Staatsanwaltschaft: Mehrjährige Haftstrafen für Remmo-Clan-Mitglieder wegen Juwelendiebstahls

Über ein Jahr lief am Landgericht Dresden der Prozess wegen des Juwelendiebstahls aus dem Grünen Gewölbe. Fünf von sechs Angeklagten kommen ins Gefängnis.

| Update:

Im Prozess um den Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden sind fünf der sechs Angeklagten zu mehrjährigen Haft- oder Jugendstrafen verurteilt worden. Das Landgericht Dresden verhängte die Strafen gegen die Mitglieder des Berliner Remmo-Clans, einer bekannten arabischen Großfamilie, am Dienstagvormittag.

Die Haftstrafen im Überblick

  • Der 26-jährige Wissam Remmo wurde zu sechs Jahren und drei Monaten verurteilt.
  • Der 27-jährige Bashir Remmo wurde zu fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt.
  • Der 29-jährige Rabieh Remo wurde zu sechs Jahren und zwei Monate verurteilt.
  • Einer von zwei 24-jährigen Zwillingsbrüdern, Mohamed Remmo, wurde zu vier Jahren und vier Monate Jugendstrafe verurteilt.
  • Der andere Zwillingsbruder, Abdul Majed Remmo, erhielt als Mittäter sechs Jahre Jugendstrafe – unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung.

Die vier erstgenannten Beschuldigten müssen für die Beschädigungen am Schloss und der Vitrine aufkommen.

Das Gericht sprach sie am Dienstag der besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls mit Waffen, Sachbeschädigung und vorsätzlicher Brandstiftung schuldig. Der sechste Angeklagte wurde freigesprochen.

Drei Angeklagte bleiben vorerst auf freiem Fuß

Die Haftbefehle gegen vier Angeklagte wurden mit dem Urteil unter Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Gegebenenfalls müssen sie später eine Reststrafe absitzen, können aber erst mal nach Hause. Einer davon, der derzeit bereits eine Jugendstrafe wegen des Diebstahls einer Goldmünze aus dem Berliner Bodemuseum absitzt, bleibt dennoch vorerst im Gefängnis.

Dies gilt auch für den freigesprochenen Angeklagten, der ebenfalls wegen des Einbruchs im Bodemuseum sitzt. Ein weiterer Angeklagter bleibt wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Sobald das Urteil zum Grünen Gewölbe rechtskräftig ist, werden die Angeklagten auf freiem Fuß demnach eine Aufforderung zum Absitzen ihrer Reststrafe erhalten.

Der Kunstdiebstahl aus Sachsens Schatzkammermuseum am 25. November 2019 gilt als einer der spektakulärsten in Deutschland. Die Täter erbeuteten 21 Schmuckstücke aus Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von 116,8 Millionen Euro und verursachten über eine Million Euro Schaden, indem sie einen Stromkasten sowie ein Fluchtauto in Brand setzten, um Spuren zu verwischen – in der Tiefgarage eines Dresdner Wohnhauses.

Die ausgeraubte Vitrine im Juwelenzimmer des Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschloss.
Die ausgeraubte Vitrine im Juwelenzimmer des Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschloss.

© dpa/Oliver Killig

Der Freistaat Sachsen hatte vor Gericht Schadenersatz in Höhe von fast 89 Millionen Euro geltend gemacht – für die zurückgegebenen, teils beschädigten und die noch fehlenden Schmuckstücke sowie für Reparaturen etwa der zerstörten Vitrinen und am Museumsgebäude. 

Verhaftung der Clan-Mitglieder bei Razzien

Ab Ende Januar 2022 waren die Angeklagten bei mehreren Razzien in Berlin gefasst worden. Vier von ihnen hatten vor Gericht zugegeben, an dem Coup beteiligt gewesen zu sein und Reue gezeigt. Auch ein weiterer Angeklagter gestand, aber nur die Besorgung von Gegenständen wie den Äxten, mit denen Löcher in die Museumsvitrine geschlagen wurden.

Einer der Angeklagten bestreitet eine Täterschaft und hat ein Alibi: eine Notfall-Behandlung in einer Berliner Klinik in der Tatnacht.

Die Urteilsverkündung im Dresdner Landgericht.
Die Urteilsverkündung im Dresdner Landgericht.

© dpa/Sebastian Kahnert

„Deal“ mit Staatsanwaltschaft

Die Bereitschaft zum Geständnis dazu resultierte aus der „Deal“ genannten Absprache, nachdem sie kurz vor Weihnachten 2022 zurückgaben, was von der Beute noch vorhanden war – 18 teils beschädigte Schmuckstücke. Die Verständigung umfasste neben glaubhaften Geständnissen auch die Befragung vor Gericht.

Der Vorsitzende Richter hält den Deal für gerechtfertigt. „Der Kammer war bewusst, dass ohne die Verständigung die als unersetzlich eingeschätzten Schmuckstücke wohl nie ins Grüne Gewölbe zurückkehren würden“, sagte Andreas Ziegel.

Zwar sei der Schmuck unvollständig und das „Gesamtensemble wohl für immer zerstört“. Gleichwohl gelte die Regelung einer Verständigung „auch für Herrn Remmo wie für Herrn Müller oder Herrn Meier“, sagte er in Anspielung auf die Zugehörigkeit der Angeklagten zu einem Berliner Großclan.

Früherer Richter nannte Befragung eine „Farce“

Der „Deal“ ist umstritten. Man habe „keineswegs“ bekommen, was man mit dem „Deal“ wollte, so die Staatsanwaltschaft. Die Angaben seien „zumindest lückenhaft“, nur „die Spitze des Eisberges“ und noch viele Fragen offen.

Zudem munkelten die Angeklagten von unbekannten Mittätern. So konnte nicht geklärt werden, wer der zweite Mann im Juwelenzimmer war, der mit einem der Angeklagten mit einer Axt auf eine Vitrine einschlug und die mit mehr als 4300 Diamanten und Brillanten besetzten Schmuckstücke herausriss. Im Dunkeln blieb auch der Verbleib des restlichen Schmucks.

Unter Juristen stieß der Modus der Befragung auf Kritik. Ein früherer Richter nannte sie eine Farce: „Wie glaubhaft sind Angaben, bei denen jedes Wort zuvor genau mit den Verteidigern abgesprochen wird?“

Im November 2019 werden vor dem Residenzschloss Spuren gesichert.
Im November 2019 werden vor dem Residenzschloss Spuren gesichert.

© Sebastian Kahnert AFP

Die Verteidigung verlangte für die geständigen Angeklagten wegen deren Hilfe zur Aufklärung Strafmilderung. Aus ihrer Sicht muss zudem beachtet werden, dass mangelnde Sicherheit des Museums die Tatausführung „zumindest begünstigte“.

Vertrauliches Papier warnte bereits 2012 vor Remmo-Kriminalität

Der deutsch-arabische Remmo-Clan war in den vergangenen Jahren immer durch Straftaten und blutige Auseinandersetzungen mit anderen Großfamilien aufgefallen. Im März 2017 brachen Maskierte in Berlins Bode-Museum ein, stahlen eine 3,75-Millionen-Euro-Goldmünze. Verurteilt wurden auch drei Remmos. Einer von ihnen wurde nun auch im Prozess um den Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe verurteilt. Die Goldmünze ist weg.

Im Februar 2021 überfielen fünf Männer einen Geldtransporter am Berliner Ku’damm, fast 650.000 Euro Beute. Gestanden hat ein Remmo, einer seiner Brüder war auch in Dresden angeklagt. Seinen Anteil von 70.000 Euro wollte der Verurteilte zurückzahlen, der große Rest der Beute ist weg.

Die Remmos stammen aus dem Libanon, kamen in den Achtzigern nach Berlin. Eine einheitliche Transkription aus dem Arabischen blieb aus: Remmo, Rammo, Remo. In Kriminalistik, Medien und Politik fungieren die Remmos gewissermaßen als Modell für „Clan-Kriminalität“, die vom Bundeskriminalamt als regelmäßiges Begehen von Straftaten durch Verwandte in „ethnisch abgeschotteten Subkulturen“ bezeichnet wird.

Wie vor wenigen Monaten bekannt wurde, war die Berliner Polizei bereits im Jahr 2012 von der Gefährlichkeit der arabischen Großfamilie überzeugt, wie ein vertrauliches Papier zeigt. Diese Erkenntnisse blieben jedoch folgenlos. (dpa/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false