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„Er setzte sich ins Auto, obwohl es erhebliche körperliche Mängel gab“: Mutter und Kind in Berlin-Mitte totgefahren – 84-Jähriger erhält Bewährungsstrafe
Eine Touristin und ihr vierjähriger Sohn wurden auf der Leipziger Straße von einem Auto getötet, als sie die Straße überqueren wollten. Der Fahrer Peter R. ist nun verurteilt worden.
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Der Fahrer Peter R., 84 Jahre alt, hatte sich hinter das Steuer gesetzt, obwohl er von seiner erheblichen Herzerkrankung wusste. Nach Ansicht der Richter verursachte er dann den Unfall, vermutlich erlitt er einen Anfall. Mit 89 Kilometern pro Stunde erfasste er auf der Leipziger Straße eine 41-Jährige Mutter und ihren Sohn, der im Kinderwagen saß. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte R. am Freitag zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.
Schuldig der fahrlässigen Tötung in zwei Fällen, der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs und der fahrlässigen Körperverletzung in vier Fällen, wie die Vorsitzende Richterin Franziska Bauersfeld verkündete. Peter R. habe durch sein Fehlverhalten zwei Menschen auf dem Gewissen. „Das Leid ist unermesslich“, sagte die Richterin.
Peter R aus Charlottenburg war einst Berufskraftfahrer und seit 1963 ohne Vorbelastungen. Nun müsse er „damit irgendwie zurechtkommen“, sagte die Richterin. R. nahm das Urteil äußerlich regungslos auf. Er hatte erklärt, dass es ihm unendlich leid tue, was geschehen sei. An den Unfall habe er allerdings keine Erinnerung.
Mit Tempo 89 Mutter und Sohn erfasst
Am 9. März vergangenen Jahres wollte eine Familie aus Belgien, die nur wenige Stunden zuvor für einen touristischen Kurzbesuch angereist war, um 10.02 Uhr morgens die Leipziger Straße in Mitte überqueren. Einer der Autofahrer, die im Stau vor einer roten Ampel standen, hatte der Gruppe auf Höhe der „Mall of Berlin“ ein Zeichen gegeben. Sie fühlten sich sicher.
Emeline C. hatte mit ihrem Sohn Guy, ihrem 42-jährigen Partner Gregory D. und ihrer ebenfalls 42 Jahre alten Schwester bereits die Bordsteinkante der gegenüberliegenden Seite erreicht, als Peter R. in seinem Ford Mondeo auf der Tempo-30-Strecke in Richtung Potsdamer Platz mit einer Geschwindigkeit von bis zu 90 Kilometer pro Stunde zunächst auf die Busspur fuhr und dann auf den markierten Radstreifen zog. Dort erfasste er Mutter und Kind. Beide starben kurz darauf im Krankenhaus. Mehrere Zeugen wurden verletzt
Der Angeklagte habe sich möglicherweise in einem Zustand befunden, „in dem eine bewusste Entscheidung nicht mehr möglich war“, hieß es im Urteil. Er habe höchstwahrscheinlich einen Anfall erlitten – eine Synkope, durch die es zu einem kurzen Herzstillstand und einer Ohnmacht gekommen sei. „Ein Krampf setzte ein, er wurde immer schneller, fuhr auf das Stauende zu.“ Als er das sah, habe sich R. irgendwie retten wollen.
Ihm sei vorzuwerfen, „dass er sich ins Auto setzte, obwohl es erhebliche körperliche Mängel gab“, sagte die Richterin. „Er hatte die Diagnose einer schwerwiegenden Herzerkrankung.“ Er habe gewusst, dass es „jederzeit zu lebensbedrohlichen Ohnmachtsanfällen kommen kann“. Er habe bereits zuvor Ausfälle bemerkt, sei trotzdem ins Auto gestiegen.
Bereits im Juni 2023 wurden nach Angaben einer Ärztin bei dem Rentner Herzrhythmusstörungen festgestellt. Ein Herzschrittmacher sei notwendig, sei dem Mann erklärt worden. Er habe eine Operation damals abgelehnt, weil seine Frau im Sterben lag. Den Eingriff ließ er auch danach nicht durchführen. „Sie waren Berufskraftfahrer, wären täglich mit den Gefahren konfrontiert und wissen, wie fit man sein muss – dennoch haben Sie sich ans Steuer gesetzt“, sagte der Staatsanwalt.
Das Urteil entsprach den Anträgen des Staatsanwalts und des Anwalts der Nebenklage. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch. Eine dissoziative Störung habe bei Peter R. vorgelegen, eine erhebliche Belastung nach dem Tod seiner Frau. Er habe knapp acht Monate nach ihrem Tod erstmals allein zum Friedhof fahren wollen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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