zum Hauptinhalt

Berlin: Nachhilfe unter Nachbarn

Staatssekretäre aus den Niederlanden suchten in Neukölln neue Ideen zur Integration – und hörten Dinge, die ihnen bekannt vorkamen

Erstaunt betrachtet Jan-Willem Holtslag das Schild, das im Rathaus Neukölln den Weg zum Bürgermeister weist. Es ist auf Deutsch, Türkisch und Arabisch geschrieben. „Das machen wir nicht mehr“, sagt der Generalsekretär des niederländischen Innenministeriums, seine Funktion ist vergleichbar mit der eines deutschen Staatssekretärs.

Holtslag und seine Kollegen aus den niederländischen Ministerien für Justiz, Bildung und Arbeit sind auf Einladung ihrer Botschaft für zwei Tage in Berlin und erkundigten sich am Dienstag beim Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), wie er versucht, Ausländer zu integrieren. Dass er Dinge anpackt, die andere nicht mal auszusprechen wagen, habe sich bis nach Den Haag herumgesprochen, sagt der Gesandte der Niederländischen Botschaft.

Tipps konnte Buschkowsky nicht geben, aber seinen Gästen die Augen öffnen. „Die Spaltung der Stadt schreitet immer schneller fort.“ Keiner habe damit gerechnet, dass sich die jungen Muslime auf ihre Traditionen zurückziehen und immer noch Frauen aus Anatolien heiraten. Astrid Busse stimmte ihm zu. Sie leitet die Grundschule in der Köllnischen Heide und muss sich von türkischen Eltern sagen lassen, dass sie ihre Kinder „nicht mit einer unsittlichen deutschen Lehrerin ohne Kopftuch zu Klassenfahrten mitschicken könnten“. Muslimische Jungen würden sie neuerdings als „Schlampe“ und „Dreck“ beschimpfen. Die Aggressivität habe ihrer Meinung nach mit der zunehmenden Religiosität der Familien zu tun. Manchmal fühle sie sich im eigenen Land ziemlich hilflos.

Dann schilderte Anwältin Seyran Ates das Schicksal von Frauen, die aus Anatolien nach Deutschland zwangsverheiratet und hier wie Sklavinnen gehalten würden. Lediglich die frühere Ausländerbeauftragte Barbara John wies auf positive Entwicklungen hin, etwa darauf, dass immer mehr muslimische Jugendliche einen Schulabschluss machten.

Es helfe nur massiver Druck auf die Migranten, so Buschkowsky. Er fordert kleinere Klassen an den Schulen in Problemkiezen und eine Kitapflicht. „Und was, wenn das alles nichts nützt?“, fragten die niederländischen Gäste immer wieder leise dazwischen. In ihrer Heimat fasse man die Kinder wieder in größeren Klassen zusammen und unterrichte sie mit mehreren Lehrern gleichzeitig, sagte der Staatssekretär des Bildungsministeriums. Kleine Klassen hätten nichts bewirkt. Eine Kitapflicht besteht ab dem 4. Lebensjahr.

Nach der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh habe man außerdem den Verfassungsschutz verstärkt. Ab Sommer sollen potenzielle Zuwanderer in ihrem Heimatland einen Einbürgerungstest ablegen und ein Visum nur bei guten Resultaten bekommen. Ansonsten werde viel diskutiert, allein wohin es gehen soll, sei nicht klar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false