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Nachruf auf Rolf Feja: Einmal ein Auto aufs Dach legen!
Einen sehr großen Mercedes fuhr schon sein Vater, besser als jeder Porsche!
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Rolfs Vater war LKW-Fahrer, von Montag bis Freitag war er unterwegs. Kam er nach Hause, fragte er als Erstes die Mutter, ob sich die sechs Kinder benommen hätten. Wenn nicht, setzte es erstmal was. In den Ferien aber nahm er die Kinder abwechselnd mit auf Tour, Fahrtwind schnuppern, andere Länder erkunden, im Lkw schlafen. In der Schule berichteten sie dann stolz, dass ihr Vater einen sehr großen Mercedes fährt, besser als jeder Porsche. Von Autos hatte ihr Vater sowieso die größte Ahnung.
Sein erstes Geld hatte er verdient, indem er sich mit Wassereimer und Schwämmen vor eine Autowaschanlange gestellt und die verdreckten Felgen auf Hochglanz gebracht hatte, eine Mark pro Auto. Mit 18 machte Rolf seinen Führerschein und kaufte sich als Erstes einen schrottreifen NSU. Jede freie Minute schraubten Rolf und seine Kumpels an ihren Autos.
Ihr liebster Sport: die Kurve zur Autobahn am Kreuz Schöneberg Richtung Steglitz so scharf nehmen, dass das Auto nur noch auf zwei Rädern fuhr. Ziel: wenigsten einmal ein Auto aufs Dach zu legen. Mit einer Ente schaffte Rolf es endlich. Weil auch das irgendwann langweilig wurde, fuhr Rolf bei Autorennen auf der Avus mit: heulende Motoren, Adrenalin, Benzingeruch, jubelnde Zuschauer.
Im ersten Leben kutschierte Rolf Kranke, Getränke, Betonmischer durch die Gegend. Bis er seinen Taxischein machte, für Rolf eine Offenbarung. Er liebte es, mit dem Auto durch die Stadt zu cruisen, er liebte es, für andere Menschen da zu sein, sich mit ihnen zu unterhalten.
Der Vater war früh gestorben, die Mutter kümmerte sich nun alleine um die Kinder. Waren die Jungs frech, mussten sie vor der kleinen Frau antreten und sich ihre Strafe abholen. Rolf wiederum war groß und kräftig, er boxte und machte was her. Als er noch zuhause wohnte, erlaubte die Mutter der Schwester ihre ersten Discobesuche - wenn Rolf dabei war. Er gab seiner Schwester in der Disco dann ein, zwei Küsse auf die Wange, und schon traute sich keiner mehr an sie ran.
Rolf war eine rote Socke, spendete Geld für Salvador Allende, ging auf Demos gegen Atomkraft und Rasterfahndung, unterschrieb gegen die Isolation der RAF-Gefangenen. War am 9. November immer auf die Straße – in Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht von 1938. Er war gegen Bush und gegen den Krieg in Afghanistan, kettete sich gegen Castortransporte an die Schienen. Den „Spiegel“ hatte er im Abo, alle Ausgaben seit 1970 hat er gesammelt. Stieg ein Abgeordneter in sein Taxi, wusste er, wer das war, und für was er stand.
Keine echte Freiheit
„Ich akzeptiere andere Meinungen, sie sind nur häufig falsch“, sagte er gerne. Einmal, als er schon Vorsitzender der Taxi-Innung war und mit Politikern in Talkrunden debattierte, soll einer von denen gesagt haben: „Wenn Sie das nächste Mal kommen, komme ich nicht.“ Gegenüber seinen Fahrgästen war Rolf alte Schule. Hielt die Tür auf, trug die Koffer von der Haustür zum Auto, scheute sich nicht davor, Besoffene aus der letzten Kneipe in Neukölln abzuholen. In einer „taz“-Reportage über Taxifahrer steht dies: Seit drei Jahen fährt Rolf Feja Helga zur Dialyse. Sie guckt ihn an. „Ich bin froh, dass ich dich hab.“ „Ach, ist doch gut Helga“, sagt Rolf. „Am Wochenende mache dir was mit Apfel und Streusel“, sagt Helga. Sie biegen in ihre Straße ein. „Ick fahr dich direkt vor die Haustür, dit is ja klar“, sagt Feja und manövriert sein Taxi durch die engen Gassen. Er nimmt ihre Hand: „Schönes Wochenende, meine Kleene.“
Mitte der 80er lernte Rolf seine erste Frau kennen, bekam mit ihr zwei Jungs. Sie trennten sich, und Rolf bekam das Sorgerecht zugesprochen, und musste sich nun, selbstständiger Taxifahrer mit Anfang 30, um seine zwei Jungs allein kümmern. „Am Tag seines Todes habe ich mein Staatsexamen bestanden. Ich finde, das sagt, was unser Vattern geleistet hat“, sagt einer von ihnen.
Streng war er als Vater, und er war viel arbeiten. Die Jungs mussten bald kochen, putzen, einkaufen. Doch Rolf schaffte es irgendwie, immer zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein. Fragte in der Schule bei den Lehrern nach, wie es läuft. Stand im Taxi vor der Schule, um zu schauen, ob die Jungs auch dort ankamen. Fuhr sie im Taxi zum Fußballtraining. Am Wochenende aber besuchten sie ihn bei seinen Spielen, denn Rolf war Schiedsrichter. Er pfiff bis zur Oberliga. In Neukölln, da wo er wohnte, trainierte er diverse Kindermannschaften.
Ein Schulfreund seines Sohnes kam aus dem Libanon. Als seine Familie vom Flüchtlingsheim in die erste eigene Wohnung ziehen durfte, organisierte Rolf die Möbel. Als sein Sohn mit einem Schwerstbehinderten arbeitete, fuhr er beide von A nach B. Als der Krieg in der Ukraine losbrach, sammelte er Ukrainer an der Grenze ein und brachte sie nach Berlin.
Etwas anderes als Taxifahren konnte er sich gar nicht vorstellen. Das Auto, beginnen und aufhören, wann er wollte. Obwohl es keine echte Freiheit war, das wusste auch Rolf. Der Verdienst so gering, dass man eine Frau braucht, um sich das Geschäft zu leisten - so ein gängiger Spruch unter Taxifahrern. Rolf liebte es, nicht zu wissen, mit wem er als nächstes ins Gespräch kommen würde. Er liebte es aber auch, am Flughafen Tegel mit den Kollegen Skat auf der Motorhaube zu spielen, um Centbeträge.
Was Rolf weniger liebte, waren die neuen Fahrdienste à la Uber. Da konnte er fuchsig werden, wenn er die vielen neuen Wagen sah, die den Taxis die Kunden wegschnappen ohne Taxischein, Taxameter und Kontrolle. Immer wieder traf er sich mit Politikern, dann hatte der Innungsvorsitzende zwar ein Hemd an, darüber aber stets die Lederweste, auf dem Kopf die Schiebermütze und unter der Nase den großen Schnurbart. So sprach er auch auf Demos oder stürmte Veranstaltungen und schlug für die Taxifahrer und deren Zukunft Rabatz.
Rolf in Rente? Niemand konnte sich das vorstellen. Kurz bevor es soweit war, starb er an einem Herzinfarkt.
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