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Ist das nun Luxus? Das sagen manche. Zehn Quadratmeter hat jeder Häftling, Toilette und Waschbecken sind nun abgetrennt. Ganz neu ist die Haftraumtelefonie: Jeder darf Telefon in der Zelle haben.

© Davids

Neue Haftanstalt: Zehn Quadratmeter mit Licht für jeden Häftling

Das neue Gefängnis Heidering in Großbeeren ist eröffnet. Bald leben hier 648 Gefangene – viel menschenwürdiger als in Tegel.

Von Fatina Keilani

Der Probebetrieb läuft, der Bau mitsamt Brandschutzanlage ist abgenommen, in einem guten Monat beginnt der Umzug der Gefangenen. Am Donnerstag nahm Leiterin Anke Stein aus den Händen von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) symbolisch den Schlüssel für das neue Gefängnis Heidering in Großbeeren entgegen. Hunderte geladene Gäste waren gekommen, sie waren über schlammige Wege und durch den 260 Meter langen, nicht heizbaren Flur mit dem Namen „Vollzugsmagistrale“ gegangen und standen nun in einer der drei riesigen Hallen mit Betonwänden, in denen künftig Häftlinge arbeiten sollen. Jede dieser Werkhallen ist 3000 Quadratmeter groß.

Seit mehr als hundert Jahren habe es keinen vergleichbaren Gefängnisneubau für Berlin gegeben, sagte Heilmann. Er dankte seiner Amtsvorgängerin Gisela von der Aue (SPD), die viel intensiver als Heilmann mit dem Gefängnis befasst gewesen war. Genau wie die meisten Berliner Rechtspolitiker war sie anwesend. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), der Bauherr des Komplexes, pries das neue Gefängnis: Auf 155 000 Quadratmetern Gesamtfläche und 28 000 Quadratmetern Nutzfläche seien optimale Bedingungen geschaffen worden. Sicherheit, aber auch Menschlichkeit seien gewährleistet, schließlich gehe es darum, die Häftlinge auf eine Rückkehr in die Gesellschaft vorzubereiten – und das, obwohl hier „schwierigste Biographien aufeinanderprallen“.

Der Grazer Architekt Josef Hohensinn beschrieb seine Motive bei der Planung der Haftanstalt. Er habe den Menschen nicht entmündigen wollen. Es gebe keine Mauer, nur Zäune. Durch das viele Glas sollen Licht und Luft herein, der Gefangene soll die Landschaft sehen und den Wechsel der Jahreszeiten spüren, deswegen auch die Loggien, damit die Gefangenen ins Freie treten könnten.

In der Tat ist alles licht und luftig; ohne die Gitter könnte es ein Studentenwohnheim sein. Durch die sehr großen Fenster der Zellen, die heute Hafträume heißen, haben die Häftlinge einen guten Ausblick auf die brandenburgische Umgebung. Die weißen Möbel haben manche der künftigen Bewohner vielleicht sogar selbst gebaut: Die Einrichtung wurde nämlich in den Werkstätten der JVA Tegel gefertigt. Und von dort kommen die Häftlinge, die im Frühjahr einziehen; sie dürfen höchstens noch fünf Jahre Gefängnis vor sich haben. Wer Therapie braucht, kommt nicht nach Heidering, auch keine Sicherungsverwahrten oder Straftäter, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Ziel ist es, das Haus III in Tegel zu schließen, denn dort sind die Zellen teilweise kleiner als sechs Quadratmeter. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hatte im Jahr 2009 entschieden, dass diese Größe menschenrechtswidrig ist. Die hellen Räume der neuen JVA wirken trotz ihrer zehn Quadratmeter immer noch beklemmend.

Unfertig wirkt die Haftanstalt und ist noch immer umstritten. „Es ist ein total überflüssiger Bau“, kritisierte der grüne Rechtspolitiker Dirk Behrendt am Donnerstag erneut. „Ich kann dem Steuerzahler nicht erklären, warum wir hier ein neues Gefängnis bauen, während Brandenburg eins schließen muss, weil nicht genug Gefangene da sind.“ Befürworter der Haftanstalt meinen hingegen, es sei gut, vorbereitet zu sein. Die Häftlingszahlen sinken zwar seit Jahren, doch das müsse nicht für immer so bleiben.

Von außen düster, von innen hell: Das neue Gefängnis in Heidering.
Von außen düster, von innen hell: Das neue Gefängnis in Heidering.

© dpa

Es handele sich um die modernste Haftanstalt Deutschlands, sagt die Justizverwaltung. Viel Transparenz, kurze Wege, die „Magistrale“ ist der zentrale Verbindungsweg. Sie verbindet die drei Teilanstalten mit den Werkhallen, den Sport- und Fitnessräumen, der Schule mit 70 Plätzen, der Bibliothek mit Computerausstattung, der Arztgeschäftstelle und dem Andachtsraum für alle Religionen. 218 Bedienstete kümmern sich hier rund um die Uhr um dann 648 Gefangene. Sie sollen nicht nur nur Häftlinge von hier nach dort begleiten; dafür sind sie überqualifiziert.

Deshalb ist die Magistrale so gestaltet, dass die Gefangenen ihre Wege selbständig zurücklegen können. So können sich die Justizbediensteten stärker ihren Kernaufgaben zuwenden. Ihr Tag beginnt morgens um sechs mit der Lebendkontrolle der Häftlinge, das heißt, jeder Haftraum wird begangen und es wird sichergestellt, dass niemand gestorben ist. Gearbeitet wird in drei Schichten.

Das Gefängnis ist mit Bussen an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Derzeit arbeiten 83 Bedienstete in dem noch leeren Bau; später sollen auch die Busse öfter fahren.

Das Budget von 118 Millionen Euro wurde eingehalten – für Berlin keine Selbstverständlichkeit. Es gibt ein Farbkonzept: in der Teilanstalt I sind die Böden apfelgrün, in Teilanstalt II brombeer und in Teilanstalt III petrol. Die Anstaltsbibliothek hat seit Donnerstag ein neues Buch: Großbeerens Bürgermeister überreichte einen Brandenburg-Bildband als Gastgeschenk. Und von Heilmann bekam Anke Stein grüne Stifte – „weil Sie ja jetzt Behördenleiterin sind“.

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