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Nicht überall arbeiten die Schüler so engagiert mit wie auf diesem Foto aus Tübingen - in Berlin fehlen Tausende Schüler mehr als zehn Tage pro Jahr unentschuldigt.

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Schulpolitik in Berlin: Null Toleranz für Schulschwänzer – aber nicht überall

In Berlin hat sich die Zahl der Schulversäumnisanzeigen und Bußgeldverfahren im vergangenen Jahr vervielfacht. Allerdings nur in einigen Bezirken. SPD-Politiker fordern, Bezirke und Schulen müssen sich besser abstimmen.

Das Bewusstsein für das Problem ist offenbar gestiegen – aber das Problem wächst ebenfalls. 3762 Kinder und Jugendliche fehlten im vergangenen Schuljahr mehr als zehn Tage lang unentschuldigt in Berlins Schulen. Das sind gut 200 mehr als im Jahr zuvor, in dem 3558 Schüler hartnäckig schwänzten. Auch die Zahl der Schüler, die mehr als 20 oder gar mehr als 40 Tage lang der Schule fernblieben, ist unverändert hoch. Das geht aus einer Antwort der Senatsbildungsverwaltung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Gleichzeitig greift man zumindest in einigen Bezirken inzwischen schneller durch, wenn Schüler länger unentschuldigt fehlen. So hat sich die Zahl der Schulversäumnisanzeigen im manchen Bezirken im vergangenen Schuljahr gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Und Bußgeldverfahren wegen des Verstoßes gegen die Schulpflicht leiteten manche Bezirke im vergangenen Jahr erstmals ein.

Das sei einerseits zu begrüßen, sagt SPD-Mann Langenbrinck. Andererseits agierten Bezirken und Schulen noch zu unkoordiniert. „Einige Bezirke gehen immer noch zu unterschiedlich mit dem Problem um“, sagt er. „Deshalb brauchen wir klare Regeln, die für alle Bezirke und Schulen gelten.“ Außerdem müssten die Behörden besser zusammenarbeiten, „die eine Hand muss wissen, was die andere tut“. Bei hartnäckigen Fällen „muss ein Bußgeld durchgezogen werden, denn auch der beste Sozialarbeiter beißt mal auf Granit, und die Bereitschaft der Eltern, ihr Verhalten zu ändern, ist dann am größten, wenn es ans Geld geht.“

„Wer die Schule schwänzt, droht als Schulabbrecher zu enden“

Die von Bildungsstaatssekretär Knut Nevermann auf Langenbrincks Anfrage hin mitgeteilten Zahlen zeigen, dass es nach wie vor sehr starke Unterschiede gibt, in welchen Bezirken wie oft geschwänzt wird. So liegt Mitte mit einer Fehlquote von 7,7 Prozent vorne, was entschuldigtes und unentschuldigtes Fehlen umfasst. An zweiter Stelle folgen Neukölln und Marzahn-Hellersdorf mit jeweils 7,3 Prozent Fehlquote. Am Ende der Skala liegen Tempelhof-Schöneberg mit 4,5 Prozent Fehlquote und Steglitz-Zehlendorf mit 4,4 Prozent.

„Wer die Schule schwänzt, verpasst leicht den Anschluss und droht als Schulabbrecher zu enden“, sagt Langenbrinck. „Schulschwänzen ist eine Gefährdung des Kindeswohls, deshalb ist eine schnelle Reaktion ebenso wichtig, wie die Eltern stärker in ihre Pflicht zu nehmen.“

„Wir brauchen klare Regeln für alle Schulen und Bezirke“, sagt SPD-Mann Langenbrinck.
„Wir brauchen klare Regeln für alle Schulen und Bezirke“, sagt SPD-Mann Langenbrinck.

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Was diese Reaktionen angeht, offenbaren die neue Statistiken sehr unterschiedliches Vorgehen von Bezirk zu Bezirk und von Schulform zu Schulform. So haben sich in Mitte die Schulversäumnisanzeigen an Integrierten Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen im vergangenen Jahr mit 486 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Eine Schulversäumnisanzeige muss jede Schule nach zehn zusammenhängenden unentschuldigten Fehltagen im Schuljahr stellen, erklärt Langenbrinck. In Lichtenberg stiegen die Anzeigen für denselben Schultyp von rund 300 auf 488. Auch in Steglitz-Zehlendorf wuchs die Zahl der Anzeigen an diesem Schultyp von 91 auf 128. In anderen Bezirken hingegen ging die Zahl der Anzeigen im Vergleichszeitraum eher zurück, so in Charlottenburg-Wilmersdorf.

Die Dunkelziffer liegt höher

Die Zahl der eingeleiteten Bußgeldverfahren vervielfachte sich in einigen Bezirken ebenfalls, während andere Bezirke diese Sanktionsmöglichkeit nach wie vor kaum oder gar nicht nutzen. So wurden in Mitte für die Integrierten Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen im vergangenen Jahr 44 Bußgeldverfahren eingeleitet – gegenüber null im Vorjahr. In Steglitz-Zehlendorf vervierfachte sich die Zahl der Bußgeldverfahren sogar fast, von 62 für alle Schulen auf 224 im vergangenen Schuljahr. In Charlottenburg-Wilmersdorf oder Treptow-Köpenick hingegen wurde im vergangenen Schuljahr jeweils nur ein einziges Bußgeldverfahren wegen Schulschwänzens eingeleitet.

SPD-Mann Langenbrinck gibt zudem zu bedenken, dass die jetzt veröffentlichten Zahlen nur einen Teil des Problems erfassen, da sie sich nur auf die Klassen 7 bis 10 und das erste Schulhalbjahr beziehen. „Die Dunkelziffer liegt höher“, sagt er.

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