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Trotz Termin muss man bei den Berliner Behörden oft lange warten.

© Thilo Rückeis

Personalmangel in Behörden: In Berlins Verwaltung sind 4700 Stellen unbesetzt

In den Berliner Behörden sind trotz flotter Werbesprüche viele Posten unbesetzt. Stellen müssen mehrfach ausgeschrieben werden. Der Krankenstand liegt bei zehn Prozent.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin wächst – und die öffentliche Verwaltung auch. In diesem Jahr stehen 1500 zusätzliche Stellen zur Verfügung, trotzdem fehlt den meisten Behörden qualifiziertes Personal. Derzeit, so ergab eine Umfrage des Tagesspiegels, sind etwa 4700 Stellen im Berliner Landesdienst nicht besetzt. Davon 2100 in den Bezirksämtern, die es im harten Wettbewerb mit Bundes- und Senatsbehörden, privaten Unternehmen und dem Nachbarland Brandenburg schwer haben, freie Stellen vor allem in Mangelberufen zu besetzen.

Besonders gefragt sind Ärzte und Bauingenieure, IT-Spezialisten und Sozialarbeiter, von Lehrern und Kita-Erziehern gar nicht erst zu reden. Der bundesweite Fachkräftemangel schlägt in Berlin voll durch, zumal im Landesdienst eher schlecht bezahlt wird und die Arbeitsbedingungen besser sein könnten.

Personalmangel im öffentlichen Gesundheitsdienst

„Wir müssen Stellen mehrfach ausschreiben“, berichtete der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), bei einer Anhörung im Unterausschuss „Personal und Verwaltung“ des Landesparlaments. Es sei sogar schwierig geworden, Amtsleiterstellen zu besetzen, sagte dessen Amtskollege Michael Grunst (Linke) aus Lichtenberg.

Reinhard Naumann (SPD), Bürgermeister in Charlottenburg-Wilmersdorf, hat hoch spezialisierte Techniker an die Bundestagsverwaltung verloren. Das war besonders schmerzlich, weil Charlottenburg-Wilmersdorf ein Pilotbezirk für die IT-Entwicklung in Berlin ist. Auch im Öffentlichen Gesundheitsdienst zeigt sich die Misere.

Zwar erhielten die Bezirke seit Anfang 2017 zusätzlich 113 Stellen. Aber 240 Stellen konnten bis April dieses Jahres nicht besetzt werden, teilte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) in einem Bericht mit. Die Zahl der Mitarbeiter, die im Gesundheitsdienst tatsächlich arbeiten, hat sich demnach nicht spürbar erhöht. Ähnliche Probleme gibt es im Berliner Justizvollzug.

Erschwerend kommt hinzu, dass es bisher kaum gelungen ist, die Dauer der Auswahlverfahren zu verkürzen. Je nach Bezirk, das ergab die Tagesspiegel-Umfrage, werden von der Ausschreibung bis zur Auswahl des Bewerbers durchschnittlich 3 bis 4,9 Monate benötigt. Ein gutes Verhältnis zum Personalrat, den Frauen- und Schwerbehindertenvertretungen hilft ein wenig. Beschleunigend könnten zentrale Bewerbungsverfahren wirken, aber viele Bezirke sind da skeptisch. Jeder macht seins.

Hoher Krankenstand

Das gilt sogar für die Werbeslogans. Zwar gibt es die Berliner Arbeitgebermarke „Hauptstadt machen“, aber manche Bezirke werben mit eigenen Ideen. „Arbeiten Sie dort, wo andere sich erholen“, buhlt Treptow-Köpenick um Fachpersonal. „Beste berufliche Aussichten“ verspricht Marzahn-Hellersdorf und ein weltweit berühmter Bezirk wirbt mit „Neukölln und Du“.

Trotz dieser smarten Slogans wundert sich der heiß umworbene Bauingenieur oder IT-Experte doch, wenn in der Ausschreibung „Kenntnisse der GGO, AZG und BZVG“ gefordert werden. Gemeint sind die Gemeinsame Geschäftsordnung des Landes Berlin, das Allgemeine Zuständigkeitsgesetz und das Bezirksverwaltungsgesetz, das jedem öffentlich Bediensteten in Berlin offenbar geläufig sein soll.

Es fehlt aber nicht nur Personal, um die vorhandenen freien Stellen in der Berliner Verwaltung zu besetzen. Ein großes Problem ist seit Jahren die schlechte Gesundheit der Mitarbeiter. Der Krankenstand liegt laut Tagesspiegel-Umfrage in den Senatsverwaltungen und den meisten Bezirksämtern bei rund zehn Prozent, Marzahn-Hellersdorf ist Spitzenreiter mit fast zwölf Prozent.

Die Anschaffung neuer Drehstühle, Ventilatoren und Fußstützen, die Sanierung der Teeküchen und ein Leitfaden „Willkommenskultur“ konnten den negativen Trend im östlichen Außenbezirk bisher nicht umkehren. Auch Seminare zur Vorbereitung auf den Ruhestand, Stressworkshops und Massagen, flexible Arbeitszeit und Telearbeit zuhause blieben eher wirkungslos.

Wie viele Stellen müssen geschaffen werden?

Am Sonnabend wird sich der Senat in einer Klausurtagung auch mit der Personalentwicklung im öffentlichen Dienst befassen. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) soll dafür ein Konzept vorlegen. Die Landesregierung wird sich wohl nicht nur mit den Problemen der Personalrekrutierung, der angemessenen Bezahlung und des Gesundheitsmanagements befassen müssen, sondern auch mit der grundsätzlichen Frage: Wieviele öffentlich Bedienstete braucht die explosiv wachsende Stadt Berlin langfristig?

Seit 2015, als die Sparpolitik zulasten des öffentlichen Dienstes beendet wurde, hat sich die Zahl der Vollzeitstellen in der Berliner Verwaltung um 6900 Vollzeitstellen erhöht. Im nächsten Jahr kommen weitere 1500 Stellen hinzu, dann verfügen Senats- und Bezirksbehörden über 113.568 Stellen.

Das klingt gut. Aber die steigenden Zahlen ändern nichts daran, dass die „Betreuungsquote“ stagniert. Je 1000 Einwohner stehen seit fünf Jahren rund 30 Stellen im Landesdienst zur Verfügung. Daran wird sich auch im nächsten Jahr nichts ändern.

Ein Drohpotenzial ist auch der Altersdurchschnitt von 48,1 Jahren im Landesdienst. Bis 2025 scheiden fast 30 Prozent der Beschäftigten aus Altersgründen aus. Für sie muss in jedem Fall Ersatz gefunden werden.

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