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Als „Steigbügelhaltern des deutschen Faschismus“ bezeichnet ein Bezirksverordneter der Linksfraktion von Steglitz-Zehlendorf von Schleicher.

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Letzter Reichskanzler der Weimarer Republik: Pflege für Kurt von Schleichers Grab soll nicht mehr vom Land bezahlt werden

Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf wollen das Grab aus der Liste der Ehrengräber streichen. Von Schleicher ist umstritten.

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Auf dem Parkfriedhof Lichterfelde in Steglitz-Zehlendorf liegt das Grab von Kurt von Schleicher, der als letzter Reichskanzler der Weimarer Republik bekannt ist. Seit einem Senatsbeschluss aus dem Jahr 1978 ist es als Ehrengrab des Landes Berlin anerkannt, in diesem August soll die letzte Verlängerung auslaufen.

Doch die SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf fordert nun mit Unterstützung der Linksfraktion, das Ehrengrab von Schleichers nicht mehr zu verlängern und aus der Liste der Ehrengräber zu streichen. Von Schleicher gilt als umstrittene politische Figur: bis zum Januar 1933 war er Reichskanzler und direkt für die Ernennung seines Nachfolgers Adolf Hitler verantwortlich. Von Schleicher wurde zusammen mit seiner Ehefrau Elisabeth am 30. Juni 1934 von Angehörigen der SS in seiner Neubabelsberger Villa ermordet.

Wer genau die Grabstätte von Kurt von Schleicher pflegt, ist eine gute Frage. Sicher ist sich die grüne Bezirksstadträtin Maren Schellenberg da selbst nicht – das geht aus einer Anfrage des Linken-Abgeordneten Gerald Bader an das Bezirksamt hervor. In der Grabstättenakte sei vermerkt worden, dass die Grabpflege 1978 noch von Angehörigen oder einer beauftragten Firma übernommen wurde.

Zwanzig Jahre später wurde festgestellt, dass keine „gärtnerische Instandsetzung erforderlich sei.“ Seitdem, steht in der Anfrage, „ist davon auszugehen, dass die Pflege durch das Bezirksamt erfolgt.“

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Auch über die Kosten ist man sich nicht ganz im Klaren. Die Stückkosten für die Pflege einer Grabstelle lagen 2019 bei 86,78 Euro. Die Summen variieren aber, „so dass weder für das Ehrengrab Kurt von Schleicher noch insgesamt für Ehrengräber eine Summe für das Bezirksamt genannt werden kann.“ Im Satz darauf dann die Info: Ein Ehrengrab kostet das Land Berlin etwa 800 Euro pro Jahr.

„Berufsoffizier, Politiker, Reichskanzler“

Bei den Gründen für die letztmalige Verlängerung des Nutzungsrechtes an der Grabstätte, die 2015 erfolgte, notiert das Bezirksamt nur trocken „Fehlanzeige“. Auch sieht es sich nicht zuständig für die Beurteilung der „wesentlichen Verdienste von Kurt von Schleicher, die ein Ehrengrab rechtfertigen“, und zitiert lediglich aus der Liste der Ehrengrabstätten des Landes, in der es trocken heißt: „Berufsoffizier, Politiker, Reichskanzler.“

Nun stört sich Gerald Bader von der Linksfraktion aber nicht vorrangig an den Kosten für das Ehrengrab. Ihm geht es um den „Status des Grabes innerhalb einer städtischen Gedenkkultur, und nicht um die Grabstätte an sich.“ Mit diesem heißen Thema will sich das Bezirksamt aber nicht befassen, und so antwortet Bezirksstadträtin Schellenberg auf die abschließende Frage, ob das Bezirksamt ein Ehrengrab für Kurt von Schleicher denn für berechtigt hält: „Es steht daher dem Bezirksamt nicht zu, eine Entscheidung des Senats von Berlin zu hinterfragen.“

„Aus unserer Sicht“, schreibt Gerald Bader, „wäre es nun an der Zeit, den Ehrengrabstatus der Grabstätte von Schleicher in diesem August auslaufen zu lassen. Die SPD-Fraktion hat bereits einen Antrag dahingehend auf den Weg gebracht, dem wir uns in der Forderung anschließen.“

In dem Antrag, der Anfang März im Bezirksausschuss für Bildung und Kultur behandelt werden soll, fordert die SPD, das Ehrengrab von Schleichers nicht mehr zu verlängern. „Kurt von Schleicher hat sich nicht verdient gemacht, die Ehre für ein durch den Staat gepflegtes Grab und Andenken zu erhalten.“

Weiter heißt es in der Begründung: „Kurt von Schleicher war kein Demokrat. Sein Ziel war die Beseitigung der Weimarer Republik und die Schaffung eines autoritären Staates. Er gehörte einem konservativ-reaktionärem Lager an, das bei dem Sturz des letzten frei gewählten Reichskanzler Hermann Müller (SPD) mitgewirkt hat. Feinde der Demokratie sind keine Personen, die durch ein Ehrengrab gewürdigt werden dürfen.“

Von Schleicher habe durch Ränkespiele die Stabilität der Weimarer Republik unterminiert

Gerald Bader sieht das ähnlich. Ihm „ist es ein Rätsel, inwiefern sich ein Mensch, der diverse faschistische Personen und Massenorganisationen in Querfrontstrategien eingebunden hat und sie so salonfähig machte, um Berlin verdient gemacht haben soll. Vielmehr hat von Schleicher durch seine stetigen Ränkespiele und Geheimabsprachen (auch mit Adolf Hitler) die Stabilität der Weimarer Republik unterminiert und zugleich die Aufrüstung Deutschlands vorangetrieben.“ Bader sieht von Schleicher sogar als „einen von mehreren überaus prominenten Steigbügelhaltern des deutschen Faschismus“, eine Anerkennung durch ein Ehrengrab sei somit unverdient.

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Bei einer Rede vor dem Deutschen Bundestag 2003 bezeichnete Bernd Braun von der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg von Schleicher als „einen der entschiedensten Gegner Hitlers“. Eine längere Abhandlung über das Kabinett von Schleicher, die vom Bundesarchiv veröffentlich wurde, liest sich etwas anders.

Zusammenfassend heißt es dort über von Schleicher: „Seiner eigenen Legende ist er, gemessen an dem, was er erreicht und was er verfehlt hat, nicht gerecht geworden; seiner politischen Maxime dagegen ist er treu geblieben. In den Intrigen des Januar 1933 wurde er mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Die politischen Irrtümer und Fehleinschätzungen, mit denen er zur autoritären Aushöhlung des Weimarer Verfassungsstaates beigetragen hatte, schlugen in seinem Sturz auf ihn selbst zurück.“

Ob sich die Anerkennung als Ehrengrab nun ebenfalls als Fehleinschätzung herausstellen wird, ist eine schwierige Frage, mit der sich zunächst der Bildungs- und Kulturausschuss der BVV am kommenden Mittwoch beschäftigen darf.

Thomas Lippold

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