Berlin: Pflegeheime sollen häufiger kontrolliert werden
Sozialsenatorin kündigt Runden Tisch an. Lazaruswerk beginnt eigene Untersuchung und verhängt Nachrichtensperre
Immer neue Details verstärken den Verdacht gegen das Krankenheim des Berliner Lazaruswerks, dass Bewohner mit Arzneien ruhiggestellt wurden, um eine höhere Pflegestufe zu erreichen und damit mehr Geld für die Pflege zu erhalten. Der Vorstand des Trägers des Weddinger Heimes, des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerkes (EJF) Lazarus gAG, hat einerseits die Vorwürfe zurückgewiesen. Es habe sich um einen Einzelfall gehandelt. Die betroffene Pflegerin sei entlassen worden. Andererseits setzt der Vorstand, wie am Wochenende berichtet, überraschend einen eigenen Untersuchungsausschuss ein, der die Vorwürfe prüfen soll. Dem Ausschuss gehörten drei Juristen und zwei Pflege-Fachleute an, teilte der Träger am Montag mit. Gleichzeitig verhängte der Vorstand eine Nachrichtensperre: „Während der Arbeit des Gremiums werden keine Informationen an die Öffentlichkeit gegeben.“
Mehr Transparenz ist dagegen das erklärte Ziel der Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei/PDS). Sie kündigte an, dass in der Hauptstadt mehr Pflegeeinrichtungen als bisher von der staatlichen Heimaufsicht überprüft werden sollen. Man wolle eine Begehungsquote von 65 Prozent erreichen, sagt Knake-Werner am Montag. Dabei sollen unangemeldete Kontrollen die Regel werden. Diese Quote ist noch lange nicht erreicht: Im vergangenen Jahr wurden von insgesamt 529 unter das Heimgesetz fallende Häuser 233 überprüft – ein Anteil von 44 Prozent. 2005 lag die Quote mit 192 Überprüfungen noch bei 36 Prozent. Im Jahr 2006 verhängten die Kontrolleure unter anderem gegen drei Heime wegen erheblicher Mängel einen befristeten Aufnahmestopp – so auch gegen das Krankenpflegeheim des Lazaruswerks, das 238 Pflegeplätze bietet. Diese Beschränkung wurde inzwischen wieder aufgehoben, weil die festgestellten Mängel zum großen Teil beseitigt wurden.
Aus Datenschutzgründen erfährt die Öffentlichkeit bisher nichts von den festgestellten Mängeln. Deshalb habe Berlin eine Initiative gestartet, dass auch Pflegeheime Qualitätsberichte veröffentlichen sollen, sagte Knake-Werner. Sie will zu diesem Thema demnächst die Träger der Betreuungseinrichtungen zu einem Runden Tisch einladen. Außerdem müssten die von den Pflegekassen gezahlten Pflegesätze den durch den wachsenden Anteil an hochbetagten und dementen Patienten gestiegenen Anforderungen gerecht werden.
Der Hintergrund vieler der aufgedeckten Mängel sei die völligen Überarbeitung des Pflegekräfte, sagt Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe in Berlin. „Wir fordern von der Politik die Einführung eines Personalbemessungsverfahrens, das den tatsächlichen Pflegeaufwand berücksichtigt.“ In vielen Heimen wird es wegen des wachsenden Kostendrucks für das Personal immer schwerer, eine gute Betreuung für die Patienten zu leisten. Es seien zu wenig ausgebildete Schwestern und Pfleger für zu viele Heimbewohner verantwortlich, sagte Wagner.