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Berlin: Play it again, Willy

Der Stummfilmpianist Sommerfeld, letzter Vertreter einer versunkenen Ära, wurde mit der Berlinale-Kamera geehrt

„Wer war denn Kitty?“ Das ist keine Frage, die ein Kavalier der alten Schule je beantworten würde – zumal, wenn die Ehefrau sie stellt. Berechtigt ist die Neugier, kein Zweifel: Ein Porträtfoto, hinten drauf ein „Herzlichst, Kitty“, da will man doch mehr wissen, auch wenn das aus einem verstaubten Album gefischte Bild schon von 1977 stammt. Aber Willy Sommerfeld weiß, was er sich und Kitty schuldig ist: „Der Kavalier genießt und schweigt.“ Szenenapplaus!

Fast 100 Jahre ist der Stummfilmpianist Willy Sommerfeld schon alt. Im Mai wird das Jahrhundert voll, Anlass genug, ihm für seine Verdienste um das Berliner Filmfestival und den Film überhaupt mit einer BerlinaleKamera zu ehren und die Feierstunde im Arsenal-Kino mit einem ihm gewidmeten Dokumentarfilm von Ilona Ziok zu eröffnen. Ein work in progress, bis zum Geburtstag soll es fertig sein. Ein heiteres Werk, der alte Willy hat doch einen ganz eigenen trockenen Witz. Schon Kitty hatte sicher viel zu lachen und erst recht seine Doris, die ihm auch an diesem Ehrentag zur Seite steht.

Eigentlich hatte sich der junge Sommerfeld im Berlin der zwanziger Jahre nur ein Zubrot fürs Studium finanzieren wollen, eine Geldquelle, die mit der Einführung des Tonfilms 1928 wieder versiegte. Jahrzehnte als Kapellmeister, Komponist, Zirkusmusiker und anderen artverwandten Berufen folgten, bis er 1972 im neugegründeten Arsenal in der Schöneberger Welserstraße anklopfte und seine Dienste anbot: Man zeige doch dort oft Stummfilme, die eigentlich musikalisch begleitet werden müssten. Nun, er sei nun im Ruhestand, habe Zeit – und stehe zur Verfügung.

Eine „Kette von Sternstunden“ des Stummfilms folgte, wie Gregor rühmte. Sommerfeld, mit seinem besonderen Stil der Improvisation, die sich aus einem ungeheuren musikalischen Wissensschatz nährte, wurde so populär, dass die Leute in Scharen kamen, wenn er nur auf dem Plakat stand.

Auch gestern war kaum mehr ein Platz zu ergattern, als Festivalchef Dieter Kosslick an Willy Sommerfeld den ersten Preis dieser Berlinale überreichte – der ehemalige Rockmusiker, wie er sich vorstellte, dem immer noch praktizierenden Stummfilmpianisten. Und dann gab es sogar eine Live-Hörprobe: Eine Villa, drei Strauchdiebe, die sich anschicken, sie auszuräumen. Play it again, Willy! ac

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