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Berlin: Politik will Trinkgelage zum Pauschalpreis verbieten

Alle Parteien sprechen sich gegen Flatrate-Partys in Kneipen und Diskos aus. 16-Jähriger liegt nach Alkoholexzess weiter im Koma

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Politiker aller Berliner Parteien fordern ein Verbot des sogenannten Flatrate-Trinkens, bei dem Besucher von Kneipen und Diskos nach Zahlung eines Eintrittsgelds so viel trinken können, wie sie möchten. Bereits im Januar dieses Jahres hatte es zwei Anfragen zu dieser Praxis im Abgeordnetenhaus gegeben – jetzt erhielt die Diskussion zusätzliche Brisanz: Wie berichtet, war ein 16-jähriger Berliner, der sich offenbar an einem Wetttrinken beteiligt hatte, am 25. Februar in einer Charlottenburger Bar zusammengebrochen. Er hatte zuvor angeblich rund 50 Tequilas getrunken und liegt seither im Koma.

Für ein Verbot des Flatrate-Trinkens spricht sich die jugendpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sandra Scheerer, aus. „Das allein löst zwar nicht das generelle Problem des Alkoholmissbrauchs von Jugendlichen, aber es wäre ein wichtiges Signal.“ Auch der jugendpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sascha Steuer, meint: „Ich bin für ein Verbot der Flatrate-Sauferei, wenn das rechtlich möglich ist.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der Linkspartei/PDS, Wolfgang Albers, bezeichnet das Flatrate-Trinken als „Ungeheuerlichkeit“, die verboten gehört. Seine Amtskollegin Heidi Kosche von den Grünen sagt: „Seit ich von dem tragischen Fall gehört habe, frage ich mich, wie es sein kann, dass es in unserer Stadt Kneipen mit Flatrates zum Betrinken gibt. Das muss man verbieten.“ Mirco Dragowski von der FDP findet: „Gegen das Flatrate-Trinken muss schon deshalb vorgegangen werden, weil es laut Gaststättengesetz verboten ist, an erkennbar Betrunkene noch Alkohol auszuschenken.“ Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei/PDS) ist hingegen der Ansicht, dass die „gegenwärtige Aufgeregtheit“ wenig bringt: „Wir müssen das Jugendschutzgesetz nur besser durchsetzen. Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr Prävention – und mehr Kontrolle.“

Die gesetzlichen Vorschriften zum Verkauf alkoholischer Getränke an Jugendliche müssen in jedem Lokal gut sichtbar aushängen: Sekt, Bier und Wein dürfen erst an Jugendliche ab 16 Jahren nach Vorlage des Ausweises ausgeschenkt werden, harte Spirituosen und die süßlichen, mit Hochprozentigem versetzten „Alkopops“ erst an 18-Jährige. Nun will der Hotel- und Gaststättenverband seine Mitglieder erneut zur Wachsamkeit ermahnen. Zumal Gesetzesverstöße mit bis zu fünfstelligen Geldbußen und Konzessionsentzug geahndet werden können.

Häufige Kontrollen müssen Berlins Wirte aber kaum befürchten. Die Polizei führt nur vereinzelt Stichproben durch und kooperiert mit den zuständigen Wirtschafts- und Jugendämtern der Bezirke. Doch eine „flächendeckende Überwachung können diese gar nicht leisten“, sagt der Wirtschaftsstadtrat von Mitte, Joachim Zeller (CDU). In Mitte gibt es 3000 Lokale, und Zellers Behörde hat nur zwei Kontrolleure, die auch nachts anonym durch Bars und Diskos ziehen. In anderen Bezirken ist die Situation ähnlich.

Würde ein Verbot der Flatrates helfen? Kenner der Club-Szene wie der Gastronom Karlo Karlstedt halten das für „wenig effektiv“. Er betreibt 15 Lokale und weiß: „Es gibt viele Möglichkeiten, ein solches Verbot zu umgehen. Dann verteilen Sie eben Gutscheine über 10 Euro zum Trinken.“ Dass Diskos alkoholische Getränke immer billiger machen, hängt laut Karlstedt mit „der wachsenden Konkurrenz unter den Musiklokalen“ zusammen. „Die jagen sich ihre Gäste gegenseitig ab.“

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