
© Britta Pedersen
Beschaffungskriminalität in Berlin: Die Junkies vor der Haustür
Wer bricht bei einem Verein für schwerkranke Kinder ein? Die Kinderhilfe vermutet Beschaffungskriminalität und verlässt die Räume in Berlin-Wedding.
Stand:
Seit Donnerstag stehen die Räume im Erdgeschoss der Triftstraße 42 leer. Bis Mittwoch wohnte im Sprengelkiez in Berlin-Wedding die Kinderhilfe, ein Verein für krebs- und schwerkranke Kinder.
Nur ein paar Minuten entfernt vom Rudolf-Virchow-Krankenhaus, wo viele der Kinder behandelt werden und sich die Eltern der Schwerkranken zu einem Elterncafé treffen. Eigentlich der perfekte Standort - doch die Situation im Kiez war für den Verein nicht mehr auszuhalten: Drei Mal wurde binnen vier Monaten eingebrochen, zwei Mal erfolgreich.
Als die Täter das erste Mal die Eingangstüre aufbrechen, werden sie reich belohnt: 1000 Euro liegen in der Kasse, die dem Verein gerade erst gespendet wurden. Die Mitarbeiter reagieren, erhöhen die Sicherheitsvorkehrungen, sodass der zweite Einbruch beim Versuch scheitert. Als beim dritten Mal schließlich Kameras, Tablets, Spendenhäuschen und die Kasse verschwinden, gibt der Verein auf.
"Bei uns fühlt sich keiner mehr sicher", sagt Birgit Wetzig-Zalkind von der Kinderhilfe. "Die Leute haben keine Hemmungen mehr vor nichts." Und mit Leuten meint Wetzig-Zalkind die Drogenabhängigen in der Gegend, der Tathintergrund: Beschaffungskriminalität.
"Bei uns liegen die Junkies im Flur und setzen sich 'nen Schuss."
Dass am nahegelegenen U-Bahnhof Amrumer Straße vermehrt mit Drogen gedealt wird, ist auch bei der Polizei Berlin bekannt. Inwiefern dieser Umstand auch zu mehr Beschaffungskriminalität in der Gegend führe, lasse sich nicht verifizieren, teilte die Polizei auf Anfrage mit. Nur elf Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmittelkriminalität wurden von Januar 2018 bis Ende März 2019 in der Triftstraße registriert, hinzu kommen 31 Einbruchsdelikte in der Straße, Hintergrund weitgehend unbekannt.
Der Verein vermutet Beschaffungskriminalität
Doch Birgit Wetzig-Zalkind und die Familien mit den schwerkranken Kindern erlebten die Situation jeden Tag auf dem Weg zu Kinderhilfe: "Hier herrscht ein aggressiver Drogenverkauf, auch Kinder und Eltern werden angesprochen, Ehrenamtliche haben teilweise keine Lust mehr zu uns zu kommen", berichtet Wetzig-Zalkind: "Bei uns liegen die Junkies im Flur und setzen sich `nen Schuss." Ein Vater wurde von Drogenabhängigen im Haus angegriffen, als er sie aufforderte sich nicht vor seinen Kindern die Nadel zu setzen.

© Kinderhilfe e.V.
Neben den Einbrüchen bei der Kinderhilfe wurden noch ein Kellerverschlag und mehrere Briefkästen in dem wegen Sanierung überwiegend leerstehenden Gebäude aufgebrochen, Tatverdächtige sind bei der Polizei bislang nicht bekannt. Wetzig-Zalkind schmerzt vor allem, die Ruchlosigkeit der Täter gerade bei der Kinderhilfe einzusteigen: "Auf unserem Schild steht doch Hilfe für krebs- und schwerkranke Kinder." Als die Mitarbeiter am Morgen nach dem letzten Einbruch in die Räume traten, lagen die Bilder, die die Kinder für eine Auktion gemalt hatten, beschädigt auf dem Boden verteilt. "Das tut dann schon besonders weh."
Seit heute wohnt die Kinderhilfe in der Turmstraße. "Wir hatten Riesenglück", sagt Wetzig-Kalkind, ein Ärztehaus nahm den Verein auf, die Miete bezahlbar und die Nachbarn freundlich. Das Krankenhaus ist jetzt nicht mehr fußläufig erreichbar, aber dafür die Kinderhilfe dafür wieder in Sicherheit.
Ursprünglich war in diesem Artikel von 79 Einbrüchen die Rede. Diese Zahl beruhte auf einer Falschauskunft der Berliner Polizei, die mittlerweile korrigiert wurde.
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