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Erst Ende Mai hatten Vertreter der Bandidos und Hells Angels in einer Berliner Anwaltskanzlei Frieden geschlossen - anscheinend einen sehr brüchigen.

© dpa

Rockerkrieg: Hells Angels machen Jagd auf Kontrahenten

Mehrere Hells Angels haben ein Mitglied der Bandidos durch die Straßen Reineckendorfs gejagt. Erst eine Hundertschaft der Polizei beendete die Verfolgung.

Tagsüber sprechen die Rocker von „Frieden“, nachts prügeln und schlagen sie unvermindert brutal weiter. Drei Wochen nach dem mit großem Pomp verkündeten „Waffenstillstand“ zwischen Hells Angels und Bandidos bedurfte es in der Nacht zu Donnerstag einer Hundertschaft Polizisten, um eine Gruppe Hells Angels zu stoppen, die Jagd auf einen Kontrahenten gemacht hatten. Dieser war gegen 23 Uhr mit seinem BMW auf dem Kurt-Schumacher-Damm unterwegs, als er von zwei Fahrzeugen ausgebremst und gestoppt wurde. Mit Teleskopschlagstöcken und Knüppeln schlugen die Insassen der beiden Verfolger-Pkw auf den BMW ein, ein Angreifer versuchte, mit dem Messer die Reifen zu zerstechen. Zweimal gelang es dem 32-Jährigen, wieder anzufahren, zweimal wurde er wieder nach wilder Fahrt durch Reinickendorf ausgebremst und attackiert, der BMW wurde stark beschädigt. Nachdem der 32-Jährige den Notruf gewählt hatte, flüchteten die Angreifer – ein Teil verschanzte sich im Hauptquartier der Reinickendorfer Hells-Angels-Abteilung in der Residenzstraße.

Ein 27-Jähriger aus einem der Autos konnte noch auf der Straße festgenommen werden. Danach stürmten Bereitschaftspolizisten das Clubhaus und überprüften die zehn Anwesenden. Einer von ihnen legte ein Messer beiseite und schlug auf einen Beamten ein. Auch er wurde festgenommen. Weitere Beteiligte an der vorangegangenen Attacke konnten nicht identifiziert werden, weil das Opfer schwieg – typisch für Rocker. Im Clubhaus wurden Macheten, Messer, Eisenstangen und eine Gartenhacke sichergestellt. Das Rocker-Kommissariat im Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen. Unklar blieb gestern das Motiv der Attacke.

Hintergrund dürfte der jahrzehntelange „Krieg“ zwischen Hells Angels und Bandidos sein. Nicht nur in Deutschland wird um die Vorherrschaft in Drogenhandel und Prostitution gestritten. In Berlin ist die Lage seit Anfang des Jahres besonders kompliziert. Wie berichtet, sind im Februar mehrere Dutzend Bandidos des Chapters „El Centro“ zu den Feinden übergelaufen und nennen sich dort „Hells Angels Nomads Türkiye“. Der Wechsel war von Beobachtern und Polizei als bundesweit einmaliger Vorgang eingestuft worden. Denn die bislang klaren Fronten zwischen beiden Gruppen sind zerstört. Im Berliner Polizeipräsidium hatte man keine Minute an die Versprechungen eines „Friedens“ geglaubt. Im Mai hatte Polizeipräsident Dieter Glietsch im Innenausschuss prophezeit, dass es auch weiterhin „gewalttätige Angriffe auf Personen und Objekte der verfeindeten Rockerclubs“ geben wird. Nur auf der Hells-Angels-Internetseite wird unverdrossen verkündet, dass „der Konflikt zwischen beiden Clubs mit sofortiger Wirkung offiziell beendet ist“ und „ein Weg zu einer künftigen Koexistenz gefunden wurde“.

Vor wenigen Tagen haben die dänischen Bandidos ihren „Frieden“ aufgekündigt – weil die Hells Angels Überläufer aufgenommen haben.

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