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Berlin: Polizei wechselt die Munition

Mit neuen Geschossen werden Täter im Notfall wirkungsvoller gestoppt – und ihre Wunden verheilen besser

Elf Schüsse brauchte die Polizei, um den tollwütigen Kampfhund zu töten, der Minuten zuvor den sechsjährigen Jungen in Hamburg getötet hatte. Die Kugeln flogen quasi durch den Hund durch, ohne ihn zu stoppen. Das war 1999. Noch ein Beispiel: In München wird eine Polizistin von einem Einbrecher bedroht, sie schießt, aber die Kugel stoppt den Täter nicht. Noch einmal drückt die Beamtin in dieser Notwehrsituation ab, die zweite Kugel tötet den Mann – und einen dahinter stehenden Menschen ebenfalls. Das war im Jahr 2000. Nach diesen Erfahrungen empfahl die Innenministerkonferenz den Ländern, neue Munition zu beschaffen – sie „pilzt“ auf und bleibt im Körper stecken. Bayern zum Beispiel kaufte die so genannte Mannstoppmunition sofort, Berlin wartete ab, da kritisiert wurde, dass sie stärkere Verletzungen im Körper verursachen könne. Nachdem die Zertifizierung jetzt vorliegt beschloss die Innenverwaltung die Anschaffung. In diesem Jahr werden alle Polizisten mit den neuen Patronen bewaffnet.

Von der am Donnerstag vorgestellten Munition werden ab Sommer 330 000 Schuss beschafft. Jede Patrone kostet mit 36 Cent doppelt so viel wie die herkömmlichen Vollmantelgeschosse. Deshalb wird beim vorgeschriebenen Schießtraining aus Kostengründen weiterhin die alte Munition verwendet. Welche Firma den Zuschlag für die Lieferung erhält, soll eine Ausschreibung ergeben.

Beim täglichen Einsatz werden die Magazine der Polizeipistole P6 ab dem Sommer mit der neuen Munition bestückt. Als mangelhaft empfanden Berliner Polizisten vor allem das Hundeproblem. Sah man sich durch Hunde bedroht, musste beim nächsten Abschnitt angerufen werden und Spezialmunition angefordert werden – ein zeitraubendes Verfahren. Auch Autos konnten mit der bisherigen Munition nicht gestoppt werden. Die Geschosse schlugen nur ein stecknadelgroßes Loch in den Reifen, die Luft blieb drin und der Täter fuhr weiter. Die neuen Patronen schlagen ein vier Millimeter großes Loch, die Luft entweicht schlagartig.

Die bisher von der Polizei verwendete Munition wurde im Zweiten Weltkriegs entwickelt. Damals sollten Menschen durch gezielte Schüsse in Kopf oder Oberkörper getötet werden. Wenn jetzt in Beine oder Arme geschossen wird, um Täter aufzuhalten, zeigt die Munition oft keine Wirkung. Weil die Projektile das Weichgewebe durchschlagen, bleibt der Täter handlungsfähig.

An der Entwicklung waren auch Ärzte beteiligt. Sie sei „weniger aggressiv“ als die von Spezialeinsatzkommandos und den Anti-Hunde-Einheiten verwendete Munition, sagt Jörg Heibeck, Waffenexperte der Polizei. Die neuen Patronen entsprechen den Forderungen von Ärzten von einer maximalen Energieabgabe von 60 Joule pro Zentimeter. So wird die Knochenhaut nicht beschädigt, das begünstigt die Heilungschancen.

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