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So kann's gehen: Das linke Bild zeigt die Unfallstelle am Tag nach dem Unfall, der abends bei Dunkelheit geschah. Das rechte ist vier Tage später aufgenommen worden.

© privat

Radfahrer will Bezirk verklagen: Poller-Unfall hat ein Nachspiel

Stephan Pochanke stürzte über einen Betonpoller auf der Salvador-Allende-Brücke. Nach dem Unfall sieht sein Leben anders aus – und die Unfallstelle auch: Plötzlich tun die Behörden, was sie vorher versäumt haben.

Stephan Pochanke ahnte nicht, dass sein Ausflug zu McDonald’s dermaßen ungesund sein würde. „Döner oder BigMac“ war die Frage an jenem Sonntag vor zwei Wochen, an dem er in seiner Köpenicker Wohnung über seiner Bachelor-Arbeit gesessen hatte, bis ihm der Kopf rauchte und der Magen knurrte. Die Entscheidung für den Burger war fatal, weil der Weg dorthin Pochanke mit seinem Fahrrad über die Salvador-Allende-Brücke führte.

Auf der kauern acht halbrunde Betonpoller mitten auf dem zerbröselten, aber benutzungspflichtigen Radweg. 2008 hatte das Tiefbauamt sie auf Anweisung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung installiert und eine Linie drum herum gemalt, die wohl als Umleitung gemeint, aber mit der Zeit verblasst war. Die Poller sollen schwere Fahrzeuge vom Rand der baufälligen Brückenrampe fernhalten. Wobei dort mangels Anlieger auch nie jemand parkt.

Pochanke war in Gedanken bei seiner Arbeit, als es plötzlich knallte. Dann lag er neben seinem Rad auf dem Asphalt und sah, dass sein linker Fuß irgendwie in die falsche Richtung zeigte. Autos fuhren vorbei, Scheinwerfer blendeten.

Dickes Ende: Stephan Pochanke muss noch wochenlang ein Gipsbein tragen. Studienabschluss, Urlaub und Umzug sind vertagt. Nach Möglichkeit will der den Bezirk wegen der Poller auf dem Radweg verklagen.
Dickes Ende: Stephan Pochanke muss noch wochenlang ein Gipsbein tragen. Studienabschluss, Urlaub und Umzug sind vertagt. Nach Möglichkeit will der den Bezirk wegen der Poller auf dem Radweg verklagen.

© Stefan Jacobs

Behörden haben wohl ein schlechtes Gewissen

„Nach dem dritten Auto ging bei mir die Panik los“, erinnert sich Pochanke, während er unterm Union-Schal und einem Depeche-Mode-Plakat auf dem Sofa sitzt, das wohl sein Lebensmittelpunkt für die nächsten Monate sein wird. Sein Gipsbein liegt auf einem Hocker, die Krücken stehen griffbereit. Vage erinnert er sich, dass er erst seine Freundin und dann die Feuerwehr alarmiert hatte an jenem Abend. Mit dem Rettungswagen trafen auch einer der zuvor vorbeigefahrenen Autofahrer ein, dann eine Zivilstreife und ein Notarzt. Die Polizistin hüllte Pochanke in eine Decke, was ihm gegen die Panik geholfen habe, erzählt er dankbar.

Als er nach fünf Tagen aus dem Krankenhaus entlassen wurde und der Tagesspiegel groß über den Unfall berichtet hatte, war nicht nur Pochankes Bein farbenfroh geworden – nämlich blau-grün-gelb –, sondern auch die Unfallstelle: Die Betonschildkröten waren hell angepinselt, auf dem Asphalt strahlte die Markierungslinie wieder so weiß wie vor gut fünf Jahren, als die Poller auf den Radweg gesetzt wurden. Eine rot-weiße Bake komplettiert das Ensemble, das nun nicht mehr zu übersehen ist. Außerdem wurde eine Fuge geflickt. So sieht es wohl aus, wenn Behörden ein schlechtes Gewissen haben.

Erst müssen die Schrauben raus

„Mir ist klar, dass ich unaufmerksam war“, sagt Pochanke. „Aber bei einer Markierung wie jetzt wäre mir das nicht passiert.“ Er sei „ungefähr zum 2000. Mal“ über die Brücke gefahren, die nun sein Verhängnis geworden war. Kratzer am Poller deuten darauf hin, dass er wohl ein wenig ausgewichen ist – nur nicht weit genug.

Seine Bachelor-Arbeit kann er nicht mehr pünktlich zum 31. März abgeben. Also dauert sein Studium Sozialer Arbeit wegen des Unfalls ein Semester länger. Umzug und Urlaub sind ebenfalls vertagt. Erst müssen die Schrauben raus, die seine gebrochenen Knochen an Fußgelenk und Schienbein zusammenhalten. Die Reha wird sich wohl in den Sommer ziehen. „Meine nächste Anschaffung ist ein Fahrradhelm“, sagt Pochanke. Und seine nächste Investition vielleicht ein Anwalt, der ihm ein Schmerzensgeld erstreitet und dem Bezirksamt beibringt, dass man keine grauen Betonklopse auf Radwege stellt.

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