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Positionen: Der große Entwurf

Mit Mediaspree, Heidestraße und Tempelhofer Feld entstehen neue Stadtteile, deren Entwicklung die gesamte Bundesrepublik bewegt, meint Ingeborg Junge-Reyer, SPD-Politikerin und Senatorin für Stadtentwicklung.

Berlin verzeichnet auch fast 20 Jahre nach dem Mauerfall eine ungebrochene Bautätigkeit. Die Großprojekte Berlins bewegen die gesamte Bundesrepublik, was Ausdruck der immer ausgereifteren Hauptstadtfunktion ist. In Berlin wird nicht nur leidenschaftlich über die Gestalt des Zuschauersaals der Staatsoper diskutiert, sondern auch um städtebauliche Projekte gerungen, die noch viel größere Dimensionen haben.

Seit Wochen wird in allen Berliner Medien über das Kreuzberg-Friedrichshainer Spreeufer informiert. Das emotional initiierte Bürgerbegehren im Bezirk war erwartungsgemäß erfolgreich: In Friedrichshain-Kreuzberg gut 30 000 Menschen zu mobilisieren, die gegen etwas sind, was angeblich von „oben“ vorgeben sei, ist relativ einfach und stellt dadurch das Instrument Bürgerbegehren insgesamt infrage. Neuerungen gegenüber skeptisch bis ablehnend zu sein, gehört offenbar auch bei städtebaulichen Fragen zum nahezu reflexartigen Verhalten des Menschen. Aber verantwortungsvolle, nachhaltige Stadt- und Bauplanung eröffnet Zukunftsperspektiven und zwar auch dort, wo jetzt noch Sand und Brachen vorherrschen. Denn fest steht: Stadtentwicklungspolitik ist auch Wirtschaftspolitik.

Mit dem Bezirk gemeinsam wurde ein stadt- und landschaftsplanerisches Leitbild für den Spreeraum entwickelt, in dem das Wasser in den Mittelpunkt gerückt wird. Die Uferflächen waren lange Zeit mit Gewerbe-, Industrie- und Hafennutzungen belegt. Während der Teilung der Stadt stagnierte jede Entwicklung im Grenzgebiet. Nun aber kann und muss sich die Stadt „ihrer“ Spree wieder zuwenden. Und planerische Zuwendung bedeutet, die Potenziale dieses wichtigen Entwicklungsraums zu heben. Ziel ist es, dass in einer vielfältigen Nutzungsmischung Wohnen und Arbeiten, Freizeit und Erholung am Wasser für alle möglich wird. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wird deshalb von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sehr genau beobachtet, wie er in den kommenden Monaten mit den bestehenden Bebauungsplänen und rechtsgültigen städtebaulichen Verträgen umgeht. Das Land Berlin hat Investoren die Verwirklichung von ambitionierten städtebaulichen Plänen in Aussicht gestellt, deshalb sind diese Investoren bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen. Um Investitionen dieser Größenordnung zu verwirklichen, bedarf es selbstverständlich Rechts- und Planungssicherheit. Dafür werden wir sorgen, denn es handelt sich um eine grundsätzliche Standortfrage für Berlin.

Am Spreeufer werden immer Nischen für die kreative Szene existieren. Es kann dauerhafte Standorte für wechselnde experimentelle Zwischennutzungen geben, ähnlich wie in Mitte im Monbijou-Park. Aber es muss gelten: Das Spreeufer ist für alle da. Deshalb ist Kern des städtebaulichen Projekts die Schaffung des öffentlichen Uferweges auf beiden Seiten der Spree von der Innenstadt bis zur Stralauer Halbinsel bzw. Treptower Hafen, die Aufwertung der Kreuzberger Seite sowie die Vernetzung der beiden Ufer.

Aber die planenden Behörden der Stadt beschäftigen sich nicht nur mit diesem Thema. Zwei Dekaden nach dem Mauerfall werden jetzt innerstädtische Projekte konkret geplant oder umgesetzt, die strittig oder komplex sind wie beispielsweise der Molkenmarkt oder der Flughafen Tempelhof.

An der Heidestraße, nördlich des Hauptbahnhofs, wird ein völlig neues Quartier entstehen. Noch braucht es viel Phantasie, sich wieder neue Wasserlagen und Wohn- und Geschäftshäuser in dieser Gegend vorzustellen. In partnerschaftlicher Abstimmung mit den Eigentümern wurde ein Masterplan für die Heidestraße entwickelt, der Bauen nach ökologischen Kriterien vorsieht. Dieser planungsrechtlich neue Weg der Abstimmung mit den Investoren wird auch bei der Entwicklung der Flughäfen Tegel und Tempelhof nach deren Schließung beschritten werden. An diesen Orten entwirft und plant Berlin neue Stadtteile von den Dimensionen des Potsdamer Platzes oder der „Mediaspree“.

Eindrucksvolle Flächen zu entwickeln, ist auch Aufgabe in der historischen Mitte. Das Humboldtforum wird ein Ort, an dem sich die gesamte Bundesrepublik repräsentiert sehen will. Berlin muss die städtebauliche Herausforderung annehmen, den öffentlichen Raum in der Mitte neu zu gestalten.

Ein gutes Beispiel, wie sich an historischem Ort neue Nutzbauwerke einfügen, ist für mich die Rathausbrücke. Wir werden hier einen Wettbewerbsentwurf umsetzen, der modern und zurückhaltend ist. Der Entwurf ist zeitgemäß ohne halbherzig historisierend etwas nachzuempfinden. Deshalb fällt es mir auch leicht, auf die Aufstellung des Großen Kurfürsten zu verzichten – wir haben ihn bereits im Bodemuseum und vor dem Schloss Charlottenburg, zwei Große Kurfürsten sind ausreichend.

Berlin plant, um sein Profil einer zukunftsfähigen und lebendigen Stadt zu schärfen. Planen und Bauen in Berlin muss alle Erkenntnisse über ökologische Zusammenhänge berücksichtigen und sich dabei durch attraktive Architektur auszeichnen.

Die Autorin ist SPD-Politikerin und Senatorin für Stadtentwicklung.

Ingeborg Junge-Reyer

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