
© Aline von Drateln
Promi-Soirée in Berlin: Eine Party wie ein hässlicher Weihnachtspulli
Zwischen veganen Dominosteinen und verrutschten Dekolletés: Während Filmschaffende zum „Green Christmas Get-together“ laden, feiern Micaela Schäfer und Dieter Hallervorden beim Kontrastprogramm.
Stand:
Noch an der Garderobe werde ich „gewhamt“. Zwischen den Mänteln aus veganem Leder springt mich der Synthie-Weihnachtshit „Last Christmas“ in diesem Jahr zum allerersten Mal an.
Beim „Green Christmas Get-together“ Mitte der Woche im Hotel Luc am Gendarmenmarkt will man in jeder Hinsicht keine Zeit verlieren. Der Zusammenschluss von Filmschaffenden der Green Actors Lounge will die Branche so schnell wie möglich über die Standards hinaus umweltfreundlich machen.
Das hehre Ziel passt natürlich hervorragend zum Spirit von Weihnachten, weshalb moderne Jünger wie Influencerin Marie von den Benken und Schauspieler wie Steve Windolf und Luise Befort hergekommen sind und tapfer vegane Dominosteine essen für den guten Zweck. Schauspielerin Esther Seibt, die ihr Geld heute vor allem als Coach verdient, macht mit den Gästen noch eine musikalische „Friedens- und Danksagungsmeditation“, danach läuft wieder Wham.
Im „LaFlor“ sind alle der peinliche Onkel
Bevor ich die Dachziegel fürs Hexenhaus komplett aufesse, das hier zugunsten des Berliner Kinderhospizes Herz dekoriert wird, mache ich mich weiter auf durch die kalte Nacht und stiefele durch die Französische Straße vorbei am Borchardt ins „LaFlor“.
Nach der politisch korrekten Feier ist die Sause des Promi-Fotoportals AEDT, die sich viel zu elegant „Weihnachtssoirée“ nennt, ein Kontrastprogramm, als wenn Heiligabend im Berliner Dom zur Christvesper plötzlich per Polonaise die Verwandtschaft aus der Provinz einmarschieren würde.
Es gibt Klangschalen voll Alkohol, gegrillte Tiere an Kohlenhydraten und Kuchen gefüllt mit Pistazienbrei, benannt nach einem menschenrechtsverachtenden Emirat, der natürlich sündhaft gut schmeckt.
Kader Loth, Micaela Schäfer, Djamila Rowe – hier sind alle der peinliche Onkel, der sich daneben benimmt. Die Promis auf dieser Weihnachtsfeier haben nichts zu verlieren, denn sie sind bereits im echten Leben so zügellos wie andere auf der Betriebsfeier erst nach einer Flasche Baileys.
Verrutschte Dekolletés, und zwar nicht nur der Ausschnitt, sondern auch die Füllung. Simone Thomalla lümmelt auf einem Sofa, Dieter Hallervorden drängelt am Käsebüfett, Wolfgang Lippert und Karsten Speck amüsieren sich wie in alten Zeiten, als man für Griffigkeiten noch nicht in die Zange genommen wurde.
Als sich ein Fotograf nach getaner Arbeit nach seiner heruntergefallenen Objektiv-Kappe bückt, ruft Lippert: „Oh, ich dachte, sie wollten sich vor uns verbeugen!“ Der Fotograf lacht, macht noch ein Bild und verbeugt sich. Wozu neue Sternchen anfertigen, wenn man die alten noch mal aufarbeiten kann? Weihnachten als very important Resozialisierungsprogramm ist auch eine Art von Nachhaltigkeitsprogramm.
Diese Party ist wie ein knallbunter ugly Christmas-Pullover: Man findet ihn nur so lange peinlich, bis man feststellen muss: total bequem. O Du Fröhliche, wäre der doch nur aus Bio-Baumwolle!
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