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Ein potentieller Kunde passiert das erleuchtete Fenster eines Sexshops in Berlin.

© Doris Spiekermann-Klaas, Tsp

Prostituiertenschutzgesetz wirkt nicht: Wie Sexarbeit in die Illegalität gedrängt wird

Mehr als die Hälfte der Bordelle in Berlin sind nicht angemeldet. Häufig steht das Planungsrecht im Weg. Wie lässt sich das Dilemma lösen?

Am 1. Juli 2017 trat das Prostituiertenschutzgesetz mit den besten Absichten in Kraft. Es sollte allen Sexarbeitenden, von denen die meisten Frauen sind, ermöglichen, freiwillig und unter klar geregelten Rahmenbedingungen der Prostitution nachgehen zu können. Der Gesetzgeber wollte Zwangsprostitution, Ausbeutung und Missbrauch eindämmen. Dazu sollten sich Sexarbeitende registrieren und einer Gesundheitsberatung unterziehen, alle Prostitutionsstätten sollten sich anmelden und überprüfen lassen.

Offenbar weniger als die Hälfte der Bordelle angemeldet

Sollte und wollte – mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes gibt es wenig Vorzeigbares. Aktuell haben sich in Berlin genau 208 Prostitutionsstätten bei den Bezirken angemeldet, davon wurden 25 eine Genehmigung erteilt, 17 Bordellen wurde die Genehmigung versagt, vier davon haben selbstständig ihren Antrag zurückgezogen. 208 angemeldete Bordelle – obwohl Experten schätzen, dass es in Berlin etwa 500 bis 800 Prostitutionsstätten gibt. Der große Rest läuft also bislang illegal weiter.

Dass von den Betrieben, die sich eigentlich bis zum Jahreswechsel 2017/2018 hätten anmelden müssen, bislang überhaupt nur 38 eine endgültige Entscheidung erhalten haben, liegt nach Angaben der Bezirke an den aufwendigen Genehmigungsverfahren und der wenig konkreten Handreichung der Senatsverwaltung für Wirtschaft.

Anfang November 2018 – elf Monate nachdem die Bezirke eigentlich mit den Genehmigungsverfahren begonnen haben sollten – hat die Wirtschaftsverwaltung eine 27 Seiten lange Anwendungsempfehlung verschickt. Dieser Leitfaden sollte den Bezirken helfen zu entscheiden, wo ein Bordell unter welchen Rahmenbedingungen betrieben werden darf. Dabei geht es um das Geschäftsmodell, es geht um Hygiene- und Sicherheitsstandards.

Ganz wesentlich – und daran scheiden sich die Geister – geht es um die Frage, wo Bordelle betrieben werden dürfen und wo nicht. Denn mit dem Prostituiertenschutzgesetz und dem Planungsrecht stehen sich zwei Gesetze ausschließend gegenüber. „Im Wohngebiet sind Bordelle schlicht nicht zulässig“, sagt Tempelhof-Schönebergs Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD). Genau dort befinden sich aber gerade viele der kleinen, oft selbstverwalteten Wohnungsbordelle.

Wie in Mischgebieten verfahren werden kann, versucht Schöttler mit den anderen Mitgliedern des runden Tischs zu Sexarbeit momentan herauszufinden. „Möglicherweise könnte für die Mischgebiete eine Einzelfallprüfung die Lösung sein.“ Fünf Mal tagte der runde Tisch Sexarbeit bereits. Nach der abschließenden Sitzung im November soll ein einheitliches Handlungskonzept stehen.

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Johanna Weber betreibt selbst ein Bordell in Tempelhof und vertritt für den Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen auch die Sexarbeitenden am runden Tisch. „Wir wollen die Vielfalt der Arbeitsplätze erhalten“, sagt Weber. „Wir haben nichts davon, wenn es irgendwann nur noch die Großbordelle irgendwo am Rand der Stadt gibt.“ Das aber wäre die Konsequenz, sollten mehr und mehr Bordelle auch in Mischgebieten keine Genehmigung erhalten. „Je weniger Prostitutionsstätten es gibt, desto mehr Druck kann von den verbleibenden Betreibenden ausgeübt werden.“

Sie kenne viele Betreiberinnen von Wohnungsbordellen, die ihren Betrieb gar nicht erst angemeldet hätten und nun so lange weiter betreiben, bis sie erwischt werden. „Nach dem Motto: ,Ich bin hier mitten im Wohngebiet, die machen mir den Laden sowieso zu‘.“

Ein Dilemma, das kaum lösbar scheint: Melden sich Betriebe nicht an, machen sie sich strafbar; melden sie sich an, werden sie geschlossen. Schöttler wünscht sich deshalb eine möglichst zügige Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes – und nicht erst nach drei oder fünf Jahren.

Kommt der Bund mit einem Verbot zuvor?

Und während das eine Gesetz in Berlin noch nicht einmal richtig angelaufen ist, werden auf Bundesebene Stimmen laut, den käuflichen Sex in Deutschland gleich ganz zu verbieten. Das sogenannte nordische Modell. Doch sollte nicht gerade die durch das Prostituiertenschutzgesetz intendierte Sichtbarkeit die Sexarbeitenden schützen?

Denn ein Effekt hat sich bereits jetzt sicher durch das Prostituiertenschutzgesetz eingestellt: „Jetzt schon ist zu beobachten, dass viele Frauen, die – weil das Bordell nicht angemeldet ist oder sie sich aus irgendwelchen Gründen nicht anmelden wollten – ins Internet abgetaucht sind“, sagt Schöttler. Es ist eine Verschiebung ins Illegale, die eine große Gefahr berge, sagt Schöttler. „Das ist eine Schwierigkeit des Gesetzes, die von allen unterschätzt worden ist, da nehme ich mich nicht aus.“

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