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Traumatisiert. Professionell wie im OP verlief Luiz’ Beschneidung nicht.

© O. Berg/dpa

Prozess in Berlin: Beschneidung auf dem Küchentisch - Vater vor Gericht

Weil er laut Anklage seinen neunjährigen Sohn in seiner Wohnung gegen dessen Willen beschneiden ließ, muss sich ein 52-Jähriger vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten.

Als zwei fremde Männer in die Wohnung des Vaters kamen, fügte sich der kleine Luiz. Er hatte den Ermittlungen zufolge zuvor Anweisungen erhalten. „Du legst dich auf den Küchentisch“, soll der Papa verlangt haben. Luiz wurde beschnitten – illegal und den Ermittlungen zufolge strafbar. Er habe große Schmerzen erlitten, das Geschehen habe ihn traumatisiert. Der 52-jährige Vater steht nun seit Montag wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Tiergarten.

Mit dem Eingriff, den Francisco S. veranlasst habe, seien weder der damals neunjährige Junge noch die auch sorgeberechtigte Mutter einverstanden gewesen, so die Anklage. Die Beschneidung sei auch nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt.

Der Angeklagte stammt aus Angola. Sieben Kinder aus zwei Beziehungen hat er. Luiz, ein weiterer Sohn und zwei Töchter stammen aus einer Ehe mit einer Deutschen. Das Paar war bereits geschieden, als es im Oktober 2015 in der Wohnung des Vaters in Reinickendorf zur Beschneidung kam. Dass er den Eingriff organisierte, bestritt Francisco S. vor dem Richter auch nicht.

"In meiner Heimat ist das normal"

Er will mit dem Jungen ausführlich über das Thema gesprochen haben. „Ich hatte es lange mit ihm thematisiert“, hieß es in einer Erklärung, die von S.s Verteidigerin verlesen wurde. „Ich bin auch beschnitten. In meiner Heimat ist das normal.“ Er habe „professionelle Beschneider“ kommen lassen. „Es erfolgte mit einem Lasergerät.“ Er habe am Kopfende gestanden, seinen Sohn aber nicht festgehalten.

Die Mutter hatte von einer Tochter einen beunruhigenden Anruf erhalten. „Es sind zwei fremde Männer gekommen“, teilte sie mit und sprach von einer möglichen Beschneidung. Andrea T. (Namen von Mutter und Sohn geändert) versuchte aufgeregt ihren Ex-Mann anzurufen. Lange gelang es ihr nicht. Dann habe er zurückgerufen, schilderte die Altenpflegerin. „Jetzt ist er sauber“, habe S. erklärt. Sie solle sich keine Sorgen machen. Er habe 200 Euro dafür hingeblättert.

Luiz lief breitbeinig, als er wieder bei Mama war. „Er schrie wie am Spieß“, so die 45-Jährige. Sie fuhr mit ihm sofort in eine Klinik. Eine Ärztin habe den Kopf geschüttelt, als sie den Verband sah. Tagelang habe Luiz unter heftigen Schmerzen gelitten. Später mussten sie zum Kinderpsychologen. Er habe nur nach und nach von dem blutigen Ritual berichtet, so die Mutter.

„Dass er eine Spritze in den Penis bekam, der Vater seinen Kopf, die Arme einer der Fremden festhielt, der andere an ihm herumschnippelte.“ Ein Lasergerät sei in den Berichten nie aufgetaucht. Auch keine Handschuhe oder ein Mundschutz. Ihr Junge habe sich sehr verändert. „Dadurch, dass es so passiert ist, schämt er sich.“ Er habe viele muslimische Mitschüler. „Aber sie haben ein Beschneidungsfest.“

Das Gesetz, wonach Beschneidungen nach den Regeln ärztlicher Kunst weiter zulässig sind, wurde Ende 2012 vom Bundestag beschlossen. Legal sind demnach Beschneidungen durch Ärzte oder – bei bis zu sechs Monate alten Säuglingen – durch religiöse Beschneider, sofern diese ausgebildet sind. Die Regeln der ärztlichen Kunst müssen eingehalten werden. Das bedeutet, dass ein Kind im Zweifel eine Betäubung oder Narkose erhält. Eltern müssen sich vor dem Eingriff über die Risiken aufklären lassen.

Die Regelung war die Reaktion auf ein Urteil des Landgerichts Köln, das Beschneidungen aus religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung gewertet hatte. Der Prozess gegen S. wird am 26. Juni fortgesetzt.

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