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Räumung eines Risikofalls: 79-Jähriger wird aus seiner Wohnung geworfen – trotz Corona

Heinz G. aus Dahlem muss am Freitag aus seiner Wohnung. Den Antrag auf Räumungsschutz wies das Amtsgericht Schöneberg ab. 

Von Fatina Keilani

Stand:

Wenn nicht noch etwas Außergewöhnliches passiert, steht Heinz G., wohnhaft in Dahlem, mit seinen 79 Jahren vor der Obdachlosigkeit. Das Räumungsurteil gegen ihn ist rechtskräftig und soll an diesem Freitag vollstreckt werden.

G. klingt am Telefon vital, er hat aber seit Jahren Herzrhythmusstörungen und gehört damit gleich doppelt zur Risikogruppe – aufgrund seines Alters und aufgrund der Vorerkrankung. Sein Anwalt Cornelius Krakau übt scharfe Kritik an dem Beschluss. „Schon ohne Corona wäre das fragwürdig, da es nur um einen Übergangszeitraum geht“, sagt Krakau. „Aber in der aktuellen Situation habe ich dafür gar kein Verständnis – niemand soll unnötig raus, aber einen alten Mann will man obdachlos machen?“

G. hat nämlich nach eigenen Angaben eine Wohnung in Aussicht, er möchte auf das Gelände des „Olympischen Dorfs von 1936“ ziehen. Allerdings hat sich dort der Baufortschritt verzögert, Einzugstermin soll nun der 1. Oktober oder 1. November sein. Es würde also reichen, wenn er noch zwei Monate bleiben dürfte.

Der Mann ist Architekt und Bauingenieur, eigentlich eine gesicherte Existenz, er könnte in eine Pension gehen, seine Möbel einlagern, er hat sich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht. Seine bei ihm lebende Tochter könnte zunächst bei Freunden unterkommen, bis der Umzug stattfände. Doch das alles wäre sehr beschwerlich für den Senior.

Dabei hat G. nicht mal Mietschulden. Er hatte wegen Schimmels zwar die Miete gemindert, und als er mit zwei Mieten im Rückstand war, hat er die Kündigung erhalten – dann aber die ausstehende Miete komplett bezahlt. Dennoch blieb es dabei: G. sollte raus.

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Der Antrag auf Räumungsschutz wurde vom Amtsgericht Schöneberg abgewiesen, Begründung: Erstens habe Heinz G. den Antrag zu spät gestellt, zweitens stehe im Attest nicht genau, ob die Räumung mit Gesundheitsgefahren verbunden sei, und drittens: Zum Zwecke der Wohnungssuche könne Räumungsschutz nicht gewährt werden. Bei der Räumung solle ein Arzt anwesend sein. Das Räumungsurteil ist rechtskräftig und erging ohne anwaltlichen Beistand, Heinz G. hat zunächst alles selbst in die Hand genommen und dabei wohl auch manches falsch gemacht.

G. hat die Miete wegen Schimmels gemindert

Der 79-Jährige wohnt gemeinsam mit seiner 23-jährigen, studierenden Tochter in der Dahlemer Dreizimmerwohnung, auf gut 70 Quadratmetern, für rund 800 Euro warm. Seit 14 Jahren wohnt er dort, Streit mit den Nachbarn habe er keinen. Die Wohnsiedlung stammt aus den fünfziger Jahren und wurde damals für die Alliierten errichtet, nach Aussage von G. gibt es Probleme mit Schimmel, und diese waren auch der Grund für die Mietminderung. Ein Blick ins Archiv zeigt: Auch der Tagesspiegel berichtete vor Jahren schon über Schimmel in den Bauten.

Der Vermieter, die Quantum Immobilien AG aus Hamburg, teilte am Mittwoch auf Nachfrage mit, zu laufenden Verfahren äußere sie sich nicht. Anwalt Krakau hatte als letzten Versuch, seinen Mandanten vor der Obdachlosigkeit zu bewahren, Beschwerde beim Landgericht eingelegt. Die Ablehnung kam am Mittwoch. 

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