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Die „Amazone zu Pferde“ steht nicht mehr alleine am Floraplatz.

© Kitty Kleist-Heinrich

Rekonstruiert wie vor dem Zweiten Weltkrieg: Wie zu Kaisers Zeiten! Der Floraplatz im Tiergarten hat seine Bronzeskulpturen zurück

75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erhält der Floraplatz im Großen Tiergarten seine alten Tierskulpturen zurück.

Der Große Tiergarten ist um eine Attraktion reicher. 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist der Floraplatz wieder so rekonstruiert, wie er auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. 1900 gestaltet wurde.

Jeweils vier lebensgroße, typisch nordamerikanische Tiere aus Bronze säumen auf Granitsockeln in zwei weiträumigen Halbkreisen den Floraplatz, in dessen Mitte bis vor Kurzem recht einsam die „Amazone zu Pferde“ von Louis Tuaillon (1862-1919) stand.

Kaiser Wilhelm II. hatte eine vergrößerte Version der Skulptur, deren erste Fassung vor der Alten Nationalgalerie stand, auf dem Sockel für den Floraplatz im Großen Tiergarten bestellt. Den südlichen Halbkreis bilden ein Wapiti-Hirsch, ein Longhorn-Stier, ein Grizzly-Bär und ein weiterer Wapiti-Hirsch.

Das nördliche Halbrund, ein wenig versteckt unter Bäumen, bilden links und rechts zwei ruhende Elche, während in der Mitte zwei Bisons auf ihren Sockeln ruhen. Eine imposante Anlage, die auf einen Blick allerdings nicht zu erfassen ist – der Kaiser hat es so gewollt.

Die Namensgeberin des von Wenzeslaus von Knobelsdorff 1796 angelegten Platzes, von dem sternförmig sechs Allen in den Park führen, war eine „Flora“ aus Sandstein, sie wurde 1906 versetzt und durch die „Amazone zu Pferde“ ersetzt. Kaiser Wilhelm II. liebte die Jagd und fand, dass die „Flora“ Gesellschaft brauche.

Vorbild war das George-Washington-Denkmal in Philadelphia

Inspiriert hatte ihn ein Atelierbesuch bei dem Bildhauer Rudolf Siemering (1835-1905). Hier hatte Wilhelm II. die lebensgroßen Tierfiguren gesehen, die Siemering für das 1897 eingeweihte George-Washington-Denkmal in Philadelphia, Pennsylvania, angefertigt hatte.

Das Reiterdenkmal von George Washington war von typischen lebensgroßen Tierfiguren Nordamerikas umgeben. Der Kaiser bestellte Nachgüsse für den „Floraplatz“, wo sie 1900 aufgestellt wurden und an die Tradition des Tiergartens als Jagdgebiet der Kurfürsten erinnern sollten.

Acht Tierskulpturen in Lebensgröße stehen wieder an ihrem Ursprungsort am im Tiergarten.
Acht Tierskulpturen in Lebensgröße stehen wieder an ihrem Ursprungsort am im Tiergarten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Ein Foto von 1946 auf der neuen Informationstafel zum Floraplatz, der im Laufe von 200 Jahren mehrfach umgestaltet wurde, zeigt den völlig abgeholzten Großen Tiergarten. Zwei Polizisten schauen auf das kahle zerfurchte Gelände, aus dem die Amazone, der Bison und der Elch auf ihren Sockeln einsam herausragen.

Die Schlacht um Berlin und der Sturm auf den benachbarten Reichstag waren nicht spurlos an den Tierskulpturen vorbeigegangen. Manche wie die Hirsche wiesen große Einschusslöcher auf. Einige Tiere waren von den Sockeln gestoßen und, so vermutet das Landesdenkmalamt, Bär und Stier waren zwischen 1949 und 1951 von Metalldieben entwendet worden. Wahrscheinlich wurden sie eingeschmolzen.

Die Bronzeskulpturen sind typische nordamerikanische Tiere

Die übrigen Figuren wurden bei der Neugestaltung des Großen Tiergartens über den Park verteilt, die Kriterien für die Verteilung sind unklar. Ein Bison kam in den Englischen Garten an den Zaun vom Schlosspark Bellevue, ein weiterer ans Ufer des Neuen Sees.

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Die beschädigten Elche wurden im Chefgarten des Grünflächenamtes eingelagert und die beiden Hirsche zierten lange die Mitte des Rosengartens. Geweihe und Vorderläufe wurden ihnen auch im Laufe der Zeit abgesägt und erst 2005 wieder ersetzt.

Als dann 1961 wegen des Mauerbaus die Entlastungsstraße angelegt wurde, führte diese über einen Teil des Floraplatzes. Erst die Eröffnung des Tiergartentunnels 2001 stellte die Einheit des Parks wieder her und gab Raum für die denkmalgerechte Rekonstruktion des Parks.

Der liegender Wapiti-Hirsch gehört ebenfalls zum Ensemble.
Der liegender Wapiti-Hirsch gehört ebenfalls zum Ensemble.

© Kitty Kleist-Heinrich

Spaziergänger wunderten sich in letzter Zeit, dass die beiden Hirsche im Rosengarten durch zwei neue Pflanzenspaliere ersetzt worden waren und auch der liegende Bison im Englischen Garten war plötzlich verschwunden? Metalldiebstahl, wie schon so oft? Nein, dieses Mal war die Ursache das Projekt „Floraplatz“.

Im Rahmen des „Masterplans für den Denkmälerbestand im Großen Tiergarten“, der uns schon das ebenfalls von Siemering geschaffene Musikerdenkmal am Ende des benachbarten Venusbeckens zurückgegeben hat, wurde nun der Floraplatz vollendet.

Fehlende Teile wurden mit 3D-Technik nachgegossen

Die Sockel, auf denen die Tiere stehen, wurden im südlichen Halbkreis durch Grabungen freigelegt, im nördlichen Kreis wurden zwei Sockel durch geophysikalische Methoden entdeckt, zwei weitere Standorte wurden durch Projektion ermittelt. Die Suche nach dem Bären und dem Stier blieb erfolglos, also wurden sie nach 3D-Modellen der Skulpturen am Washington-Denkmal in Philadelphia in der Skulpturengießerei Knaak nachgegossen.

Auch die fehlenden Schaufeln, Ohr und Huf der Elche wurden mithilfe der 3D-Technik nachgegossen. Insofern ist das nun wiederhergestellte Denkmalensemble des Floraplatzes in zweifacher Hinsicht ein Zeichen deutsch-amerikanischer Freundschaft.

Zurückgekehrt: der liegende Bär.
Zurückgekehrt: der liegende Bär.

© Kitty-Kleist Heinrich

Seine Entstehung verdankt der Platz den Entwürfen für das amerikanische Denkmal, die jetzt abgeschlossene Restaurierung erfolgte nun nach Vorlagen des Denkmals in Philadelphia.

Das in neun Monaten realisierte Projekt von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirks Mitte, dem Landesdenkmalamt und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kostete 450.000 Euro, 50.000 Euro wurden von der v.-Hinckeldey-Stiftung zur Pflege preußischer Kulturdenkmäler in Berlin und Brandenburg beigesteuert. Realisiert wurde das Projekt von dem Büro Restaurierung am Oberbaum (RAO) nach Voruntersuchungen der Kunsthistorikerin Nicola Vösgen.

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„Ein Schmuckstück war zerbrochen und nun haben wir es wieder zusammengesetzt“, bilanziert Klaus Lingenauber, stellvertretender Leiter der Abteilung Gartendenkmalpflege und Archäologie das Projekt Floraplatz. „Mit dem Floraplatz ist ein bedeutender Meilenstein des Masterplans umgesetzt.

Ein weiterer Punkt ist jetzt die Wiederherstellung des kaiserzeitlichen Rosengartens. Die Blumengitter, die dort jetzt die Hirsche ersetzen, sind nur ein Provisorium.“ Als nächster Schritt folgt die gartendenkmalpflegerische Gestaltung des Floraplatzes.

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