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Geradlinig wie seine gebratene Ente ist im Lokal "Erpel" auch das Interieur.

© Thilo Rückeis

Von Tisch zu Tisch: Restaurant "Erpel" in Berlin-Zehlendorf

Ein Federvieh, das den Kritiker positiv überrascht hat - das ist das Restaurant "Erpel" in Zehlendorf. Und ein Gewinn für den Südwesten obendrein.

Restaurantkritiken beginnen heutzutage im Internet. Nicht bei Facebook, das ist viel zu unübersichtlich, sondern auf der Website des Restaurants, die hoffentlich auf der Höhe der Zeit ist und weder Speisekarte noch Öffnungszeiten versteckt. Bilder geben einen gewissen Eindruck, das Menü macht Appetit oder eben auch nicht. Wird dort geschwenkt und gebuttert und tomatisiert, hat sich die Sache erledigt. Aber es gibt noch viele andere Kennzeichen, die zu beachten sind, bevor wir losfahren.

Ein Gewinn für Zehlendorf

Beim Zehlendorfer „Erpel“ war ich mir nicht sicher. Das las sich nicht schlecht, wanderte aber stilistisch irgendwie indifferent im Gutbürgerlichen herum. Deshalb kann ich nun sagen, dass mich dieses Federvieh in diesem Jahr am meisten positiv überrascht hat. Der Patron Aydin Ergin ist ein erfahrener Gastronom mit Ehrgeiz, und er hat in Maico Orso einen Küchenchef gefunden, der ausgezeichnetes Handwerk mit relativ wenig Selbstverwirklichungsdrang verbindet, das ist gut für Zehlendorf, wo ja niemand auf kreative Eruptionen wartet. Deshalb gibt es hier die leitmotivische Ente ganz gradlinig, ungefähr so wie im „Alten Zollhaus“, wo Ergin mal gearbeitet hat. Und sie schmeckt noch besser als dort: Der Spitzkohl überrascht mit salatartiger Frische, die in Pistazienbröseln gewendeten Grießknödel sind makellos, und bei den Schmor-Aprikosen macht ein Hauch Thymian den Unterschied. Ach, und die Ente schmeckt nach nichts als Ente, wunderbar (23 Euro).

Moderner Heilbutt

Etwas moderner, aber ebenso konzentriert ist der Heilbutt, ein ordentliches, sehr gut gegartes Filet, auf dem eine Scheibe Johannisbeergelee liegt. Sie steuert feine fruchtige Säure bei, die gut zur sanften Kopfsalatcreme drumherum passt; ein paar leicht angebratene Kartoffelkugeln liefern den Grundton, das ist alles, und es ist köstlich (22 Euro). Vorspeisen gibt es auch. Sie deuten optisch an, dass der Koch wohl lieber anders anrichten würde, als es die Teller zulassen, das sieht ein wenig zusammengepfercht aus. Aber er macht das Beste draus: Die gebeizten Scheiben vom Kaninchenrücken liegen auf makellos glatter Karottencreme, dazu gibt es marinierte Bete, getrocknete Wurzeln, ein weichgekochtes Wachtelei und Tupfen von Estragongelee (14 Euro). Das Entenleberparfait „Berliner Art“ unter fruchtigem Gelee kommt ohne Stopf aus, wird von Boskoop-Apfelkugeln, Feldsalat und Zwiebeln begleitet, für 12 Euro ein Volltreffer, ausgewogen, aromatisch, saftig.

Puristische Crème brûlée

Fürs Dessert kann die Küche nicht allzu weit ausholen, aber das weiße Schokomousse mit Fenchel, Orange und Kresse (11 Euro) und die vorbildlich puristische Crème brûlée (9 Euro) halten das Niveau. Die Weine, angenehm kalkuliert, kommen ausschließlich von guten deutschen Winzern; mit dem verblüffenden 2014 St.Laurent „Aufwind“ von Thomas Hensel aus der Pfalz landet der Chef einen ganz speziellen Coup zur Ente. Der recht große Raum ist sehr gediegen renoviert, ein Stück entfernt vom Zeitgeist, der diesen hotelligen Stil längst hinter sich gelassen hat – aber das hier ist ja keine Architekturkritik, das mag jeder selbst bewerten. Eine nette Terrasse vor dem Eingang gibt es auch, sie ist ziemlich laut. Wie auch immer: Ein Geheimtipp weit über Zehlendorf hinaus.

Ein Tipp für Brandenburg

Noch ein Ausflugsvorschlag für den Herbst: die idyllisch gelegene, anheimelnde „Mühle Tornow“ nordöstlich von Gransee bietet solide, unverschnörkelte Bürgerküche, die ihr Geld wert ist, prima Zanderfilet, Gurkensuppe, Kürbismousse – dass auch hier praktisch alles auf der Speisekarte sinnfrei „geschwenkt“ wird, sehe ich in diesem Fall nach. Falls der Garten noch offen ist – um so schöner (weitere Informationen unter muehle-tornow.de) .

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