Schöneberger Kiss-In: Schimpfen statt küssen
Aktion gegen Homophobie: Schwule und Lesben protestieren mit einem "Kiss-In" gegen den Besitzer einer Schöneberger Eisdiele. Er soll homosexuelle Kunden beleidigt haben. Die Aktion der Demonstranten war alles andere als ein lustiges Happening.
Stand:
Samstag, 14 Uhr. Der Platz vor der Eisdiele in der Maaßenstraße am Nollendorfplatz in Schöneberg ist voller Menschen. Etwa 1000 Schwule, Lesben, aber auch Heteros sind gekommen, um an einer „Kiss-In“ genannten Aktion teilzunehmen, die zuvor hauptsächlich im Schneeballsystem per E-Mail und in Internetforen propagiert worden war. Anlass der Massenverabredung war, dass sich Kunden über angeblich homosexuellenfeindliche Bemerkungen des Eisdielenbesitzers beschwert haben. So soll er unter anderem ein Frauenpaar, das sich vor seinem Laden küsste, beschimpft und aus seinem Vorgarten geworfen haben. Dagegen wollen die sich demonstrativ vorm Eisladen küssenden Schwulen und Lesben ein Zeichen setzen. Motto: „Knutschen bis der Wirt kommt“.
„Entschuldige dich!“, skandieren die Menschen vor dem Laden. Nur wenige kommen dem eigentlichen Aufruf nach und küssen sich. Beschützt von der Polizei erscheint kurz nach 14 Uhr dann der Besitzer vor dem Laden, um mit den Versammelten zu reden. Er spricht von Missverständnissen. „Ich entschuldige mich bei allen“, sagt er. Viele der Demonstranten wollen das offenbar nicht so einfach gelten lassen. „Eisboykott!“, rufen sie dem Verkäufer entgegen. Ein junger Schwuler erzählt derweil, er habe schon öfter bei dem Eismann gekauft. „Ich glaube, der ist generell ein Griesgram.“ Ein paar Meter weiter steht ein Mann mit einem Kind auf den Schultern. „Solche Leute gehören nicht in den Kiez“, sagt er. Entweder man mache mit in der Gemeinschaft oder gehe woandershin. Und eine Frau fragt sich: „Der hat so einen schönen Laden und verkauft so gutes Eis. Warum macht der so was?“
Nach gut anderthalb Stunden geht die Aktion zu Ende: Der Eisverkäufer schließt seinen Laden zu. Florian Ernst
Florian Ernst
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