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Ordentlich eingetütet. Gerald Mai vom „Tannenhof“ verpackt erste Weihnachtsbäume. Am Saisonende werden 20 000 Tannen und Fichten seinen Hof verlassen haben.

© Enrico Bellin

Weihnachtsbaumverkauf in Werder: Schlag den Wald!

In Werder kann man nun wieder Weihnachtstannen selbst fällen. Die ersten Kunden sind Firmen – und Menschen mit einem besonderem Schicksal.

Von tausenden Tannennadeln hängen kleine Wassertropfen. In einem Meer aus Grün brechen sie die wenigen herbstlichen Sonnenstrahlen. Der feuchte Plantagenboden quietscht unter dem schweren Schuhwerk. „Der da! Ach nein, die Spitze ist doch nicht ganz gerade“, ruft Erik Heidemann über die Felder des Werderaner Tannenhofes. Gemeinsam mit Andreas Boldt ist er auf der Suche nach dem einen, dem perfekten Weihnachtsbaum für das Foyer des Sitzes der Lotto Brandenburg GmbH in Potsdam.

„Wir suchen jetzt unseren Baum aus, dann wird er geliefert“, erklärt Boldt die frühe Schau. Offiziell eröffnet wurde die Brandenburger Weihnachtsbaumsaison auf dem Tannenhof am Wochenende, nun kann in Werder jeder seinen eigenen Weihnachtsbaum schlagen. Boldt und Heidemann lassen den Baum jedoch lieber fällen und nach Potsdam liefern. „Der kommt mit gemietetem Ständer und wird von Profis aufgestellt, da müssen wir uns nicht die Mühe machen“, so Boldt. Zudem soll der Baum zwischen drei und vier Meter hoch sein, für den Transport mit dem Auto eher unhandlich.

„Eigentlich bin ich noch überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung, da fällt es schwer, sich den Baum geschmückt in unserem Eingangsbereich vorzustellen“, so Andreas Boldt. Für den Job, nach Werder zu fahren und den Firmenbaum zu suchen, habe er sich bereits im Vorjahr qualifiziert. „Da waren alle begeistert von dem Baum, den ich ausgesucht habe“, sagt er augenzwinkernd. Seit 20 Minuten stapft er nun bereits mit dem Kollegen durch die Anlage, geführt von Karin Lorenz, der Chefin der Tannen und Fichten.

"Der Baum ist schön etagiert"

„Das ist bei uns nichts Ungewöhnliches, Familien brauchen manchmal eine Stunde, um einen Baum zu finden, der allen gefällt“, sagt sie. Lorenz erklärt in aller Ruhe, welche Vorzüge welcher Baum hat. Den Stress der Vorweihnachtszeit – derzeit werden 30 Verkaufsstände aufgebaut und der Hof beschäftigt 150 Leute – sieht man ihr nicht an. Vor einer breit gefächerten Nordmanntanne bleibt sie stehen: „Der Baum ist schön etagiert, hat also großen Abstand zwischen den einzelnen Ästen.“ Besonders gut geeignet für Menschen, die gern echte Kerzen an ihren Baum stecken. Aber so breit wie die Tanne ist das Foyer im Lotto-Haus nicht, also weiter durch die scheinbar unendlichen Reihen der 50 Hektar großen Anlage.

Den einen Baum für alle gibt es nicht. „Wir haben ein Pärchen, das jedes Jahr einen Baum mit zwei Spitzen sucht“, sagt Karin Lorenz. Beide haben antike Baumspitzen geerbt und können sich nicht einigen, welche das Schmuckstück krönen soll. Da manchmal wirklich zwei Tannentriebe nach oben wachsen, werde man nach langer Suche meist auch fündig.

Auch die Baumhöhe ist Geschmack und Lebensumständen überlassen. Laut dem Bundesverband der Baumerzeuger geht der Trend zu kleineren Weihnachtsbäumen. Karin Lorenz aber kann das nicht bestätigen. Eigenheimbesitzer aus Teltow und Kleinmachnow kauften eher größere Bäume. In Zehlendorf würden noch einmal größere Bäume verkauft, ein Spiegel der Architektur – und des Geldbeutels. So früh in der Saison wie jetzt kommen Lorenz zufolge vor allem Firmen. Und Menschen mit einem besonderen Schicksal.

Aufstellen und schmücken

Vergangenes Wochenende sei eine Frau, deren Mutter sterbenskrank ist, mit ihrem Mann durch die Plantage gelaufen und habe sich einen besonders dicht gewachsenen Baum schlagen lassen, sagt Lorenz. „Da die Mutter Weihnachten wohl nicht mehr erleben wird, wollte die Familie das Fest mit ihr früher feiern.“ Das habe sie bewegt, sagt Lorenz.

Gerald Mai, der den Tannenhof gemeinsam mit Karin Lorenz betreibt, sieht einen Trend, wonach Familien den Baum nicht wie früher draußen stehen lassen und die Kinder ihn erst zur Bescherung an Heiligabend geschmückt sehen dürfen. „Familien dekorieren den Baum viel früher und gemeinsam.“ Wahrscheinlich um zum Fest mehr Ruhe zu haben, vermutet Mai. Dazu komme, dass viele Familien über Weihnachten in den Winterurlaub fahren und vorher zu Hause feiern würden.

Über ihre eigenen Weihnachtsbäume denken Erik Heidemann und Andreas Boldt auf der Plantage noch nicht nach. Sie sind damit beschäftigt, an die Wünsche ihrer mehr als 100 Kollegen zu denken. Unter einem schönen Baum stellt sich schließlich jeder etwas anderes vor. Und da ist er plötzlich: 3,20 Meter hohe, schnurgerade Nordmanntanne, gleichmäßig dichte Äste und mit zweieinhalb Metern Breite perfekt für das Foyer. Nach einer guten halben Stunde haben die Männer ihren Job erledigt. Das Schmücken übernehmen dann die Kollegen.

Enrico Bellin

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