Berlin: Schrecklich schön
Kitsch ist Zuckerwatte für die Seele. In welchen Läden es in Berlin den schrägsten Krimskrams gibt
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Die alte Dame, die am späten Abend vor dem hell beleuchteten Schaufenster eines Ladens in der Kastanienallee in Mitte steht und die Auslage betrachtet, ist verwirrt. „Komische Sachen gibt es hier“, sagt sie zu ihrer Freundin. In den Regalen des „Kwik Shops“ liegt ein wirres Gemisch aus Gummistiefeln, Tischtenniskellen, Schulkreide, Maultrommeln und Stempelschmuck. Letzteres gibt es in verschiedenen Variationen, als Diamant-, Verlobungs- oder Ehering. Preislich unterscheiden sie sich nicht, alle Modelle kosten fünf Euro.
Wie – Stempelschmuck kennen Sie nicht? Das sind Accessoires aus Tinte, die einfach aufgedruckt werden. Und deshalb ziert im Fall des Diamantrings kein echter Brillant den Finger, sondern lediglich ein Schriftzug. Natürlich kann man Stempelschmuck oder Maultrommeln überflüssig finden. Muss man aber nicht. Denn Kitsch ist Zuckerwatte für die Seele. Kaum nahrhaft, sehr süßlich, aber gelegentlich einfach zu gut, um darauf zu verzichten. Deshalb verkauft das „Glücklich am Park“ am Weinbergsweg neben Waffeln, Crêpes und Eis auch allerlei Krimskrams.
In dem kleinen Café mit der liebevoll tantigen Einrichtung steht gegenüber des Verkaufstresens ein Tisch mit mehreren großen Gläsern. Darin werden verschiedene Arten von Plastikspielzeug angeboten. Neben aufziehbaren Fröschen, die lustig hüpfen können, gibt es auch gelbe Quietscheentchen. Die sind für ein Bad am Sonntag natürlich unerlässlich. Schwer verzichtbar sind auch die verschiedenen Wackeltierchen aus Holz, die auf einem kleinen Sockel stehen und sich beim Drücken eines Knopfes ungelenk bewegen. Sie werden als Katzen oder Kühe angeboten, machen sich auf dem Schreibtisch immer gut und helfen im Notfall über kreative Tiefpunkte hinweg. Was früher als Spielzeug für Kinder gedacht war, wird heute vorwiegend von jungen Erwachsenen gekauft.
„Kauf dich glücklich“ heißt deshalb folgerichtig der Name der Hauptfiliale in der Oderberger Straße. Hier ist das Sortiment an Krimskrams noch wesentlich größer. Mit den Flummis, Plastikschlangen, Mini-Wasserpistolen und Feuerrädern gibt es Kindheitserinnerungen inklusive. In dem Café, das mit seinen 50er-Jahre-Sesseln und abgewetzten Sofas an Großmutters Wohnzimmer erinnert, steht und baumelt die zu verkaufende Ware zum Teil zwischen den Gästen. Über einer Couch hängt das goldgerahmte Gemälde eines zugeschneiten Bergs an der Wand, und man muss schon genau hinsehen, um das Preisschild überhaupt zu erkennen. In einer anderen Ecke steht ein Steckenpferd, daneben eine formschöne Kuckucksuhr. Was zur Einrichtung gehört und was zu verkaufen ist, kann man nur schwer unterscheiden – aber genau das macht den Charme des Cafés aus.
Wesentlich eindeutiger ist da „Doppelglück Impex“ in der Kastanienallee. In den Schaufenstern stehen asiatische Winkekatzen und laden die Passanten zum Besuch des Kellergeschäfts ein. Der verwinkelte Laden ist ein wahres Paradies für Kitschsammler: Neben Winkekatzen in verschiedenen Größen gibt es auch Plastiktröten, Papierlampions, bunte Kreisel und Aschenbecher mit Katzenohren. Auf einem Regal liegen Plastikmasken mit verschiedenen Motiven. Die Kunden können ihr Antlitz entweder hinter einem Polizistengesicht verbergen oder doch lieber zum Schweinemodell greifen.
Dass Masken mit Tiermotiven durchaus sexy wirken können, bewies bereits Stilikone Audrey Hepburn. In dem Film „Frühstück bei Tiffany“ bummelte sie als Holly Golightly durch einen Kitschladen, blieb vor komischen Lampenschirmen stehen, blies in eine Tröte, zog sich schließlich eine Katzenmaske über das Gesicht und verließ so das Geschäft. Peinlich war es ihr keineswegs, dass sich die Menschen auf der Straße verwundert nach ihr umdrehten. Und natürlich würde es auch heute niemand wagen, die Katzenmaske als Kitsch zu bezeichnen.
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