zum Hauptinhalt
Die Linke zweifelt ihre Eignung an: Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU).

© picture alliance/dpa/Annette Riedl

„Ausdruck massiver Ignoranz“: Berliner Linke greift Günther-Wünsch für Umgang mit gemobbtem Lehrer an

Die Linke-Fraktion wirft Berlins Bildungssenatorin Fehler im Umgang mit Queerfeindlichkeit vor. Günther-Wünsch habe den Fall des Lehrers Inácio-Stech nicht unabhängig aufklären lassen.

Stand:

Die Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus kritisiert Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch scharf für ihren Umgang mit Queerfeindlichkeit an Schulen. Anlass ist die Rolle der CDU-Politikerin im Fall des gemobbten Lehrers Oziel Inácio-Stech.

In einer am Mittwoch veröffentlichten Pressemitteilung bezeichnen die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Franziska Brychcy, und der Sprecher für Queerpolitik, Klaus Lederer, den Umgang der Bildungsverwaltung mit dem Pädagogen „über den gesamten Zeitraum hinweg bis heute“ als eine „einzige skandalöse Unverschämtheit und Ausdruck von massiver Ignoranz“. Zudem zweifeln sie Günther-Wünschs Eignung für das Amt der Bildungssenatorin an.

Die Antworten des Senats offenbaren, dass die Missstände im Umgang mit Queerfeindlichkeit eklatanter sind als bislang bekannt.

Franziska Brychcy und Klaus Lederer, Mitglieder des Abgeordnetenhauses, in einer Mitteilung der Linke-Fraktion

Vorangegangen war die Beantwortung einer schriftlichen Anfrage. Die Linke-Fraktion hatte im Juli einen umfassenden Fragenkatalog an die Bildungsverwaltung zu den Vorfällen an der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit geschickt. Nun wirft sie Günther-Wünsch vor, dass sie die Vorgänge, die Inácio-Stech betreffen, immer noch nicht umfassend aufgeklärt habe. Eine unabhängige Untersuchung durch nicht involvierte Dritte habe es nicht gegeben.

„Keinerlei Übernahme von Verantwortung“

Weiter heißt es in der Pressemitteilung, dass der Senat dem Betroffenen bis heute eine „geeignete Form öffentlicher Rehabilitierung“ verweigere, obwohl ihm ein „angebliches Fehlverhalten“ nicht nachgewiesen werden konnte. Und obwohl ein polizeiliches Ermittlungsverfahren (in dem es darum ging, dass er Kindern „zu nahe“ gekommen sei) gegen ihn eingestellt wurde.

Inácio-Stech hatte sich zuvor über homofeindliches Mobbing an der Moabiter Grundschule beschwert, worüber Medien monatelang berichtet hatten. Kritisiert hatte er außerdem, dass die Bildungsbehörde seine Beschwerde über seine Schulleitung sowie die Schulaufsicht Mitte nicht ordentlich bearbeitet habe.

„Die Antworten des Senats auf unsere neuerliche Schriftliche Anfrage in Sachen Bolle-Grundschule offenbaren, dass die Missstände im Umgang mit Queerfeindlichkeit seitens des Senats, der Schulaufsicht und der Schulleitung noch eklatanter sind als bislang bekannt“, urteilen Brychcy und Lederer. Die Bildungssenatorin sei ihrer Meinung nach dem Versprechen, „alles umfassend transparent“ zu machen, nicht nachgekommen. Stattdessen „folgten Vertuschung und Halbwahrheiten, aber keinerlei Übernahme von Verantwortung“, heißt es weiter.

Die Bildungsverwaltung verweist auf Alternativen

Für queere Menschen an Berlins Schulen sei das eine katastrophale Nachricht, schlussfolgern die Linke-Politiker. Neben der Aufarbeitung in der Causa ließe die Bildungsverwaltung „adäquate Maßnahmen“ vermissen, damit Betroffene zukünftig verlässlich und umgehend Unterstützungsangebote erhalten. So habe, wie berichtet, die Bildungsverwaltung die finanziellen Mittel für queere Bildungsprojekte wie „Queerformat“ massiv gekürzt oder wie das Projekt „i-Päd – intersektionale Pädagogik“ komplett eingestellt. Der inzwischen dem Parlament zugegangene Haushaltsentwurf des Senats für 2026/2027 sehe außerdem die komplette Streichung aller Fach- und Beratungsstellen im Bereich queerer Bildung vor.

Die Bildungsverwaltung verweist hingegen in der Beantwortung der schriftlichen Anfrage auf „vergleichbare Angebote“, darunter das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB), die Volkshochschulen sowie die Landeszentrale für Politische Bildung. „Darüber hinaus erfolgt seit dem 1. April 2025 eine weitere Förderung des Projektträgers durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung (SenASGIVA) laut Plansumme in Höhe von 130.000,00 Euro.“

Die Linke-Politiker kritisieren wiederum, dass die Landeszentrale für Politische Bildung 2025 lediglich eine Veranstaltung zum Thema Queerfeindlichkeit an Schulen im Programm habe. „Eine Bildungssenatorin, die von Queerfeindlichkeit in Schulen nichts wissen“ wolle, „die vertuscht“ und die „queeren Berliner Schüler:innen und Lehrkräften Abendkurse an der Volkshochschule empfiehlt, statt sie gegen Diskriminierungen und für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt nach Kräften zu unterstützen“ sei „für dieses Amt ungeeignet“, urteilen Brychcy und Lederer.

Der Lehrer Oziel Inácio-Stech hat sich über queerfeindliches Mobbing an einer Moabiter Grundschule beklagt.

© Tagesspiegel/Mario Heller

Nach Tagesspiegel-Informationen hat die Schulaufsicht Mitte Inácio-Stech ein Gespräch im September angeboten. Diesen Termin musste der Lehrer demnach jedoch ablehnen, weil er immer noch unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Der Umgang der Senatorin mit ihm, die ihn laut seiner Aussage in der Öffentlichkeit diffamiert habe, anstatt seinen Fall unabhängig aufzuarbeiten, habe seinen Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Ein Gespräch mit Günther-Wünsch habe er „vorerst“ aus diesen Gründen abgelehnt.

Die Bildungssenatorin hatte außerdem eine Überarbeitung der Beschwerdestrukturen in der Bildungsverwaltung angekündigt, um besser auf Mobbing-Fälle reagieren zu können. Sie bezeichnete den Vorfall an der Carl-Bolle-Schule als „komplex“. Es habe gegenseitige Anschuldigungen gegeben.

Damit meint Günther-Wünsch ein konfliktbehaftetes Verhältnis zwischen dem Pädagogen und einer Lehrerin. Diese hatte Inácio-Stech vorgeworfen, dass er „zu nah“ neben Kindern zwischen zwei Sitzsäcken gesessen habe. Laut Tagesspiegel-Recherchen hatte der Konrektor den Lehrer aufgrund eines „unguten Gefühls“ dieser Lehrerin angezeigt. Das Verfahren wurde nach der Anhörung einer Schülerin, die den Pädagogen entlastete, eingestellt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })