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Seit Monaten demonstrieren Kinder und Jugendliche bei "Fridays for Future" für mehr Klimaschutz.

© Christoph Soeder/dpa

Zeitungs- und Schulprojekt "Umwelt macht Schule": Hinter den Kulissen von Fridays for Future

Eine Schülerin des Werner-von Siemens-Gymnasiums schreibt über ihr Engagement bei Fridays for Future.

Das Projekt „Umwelt macht Schule“ – unterstützt durch das Bundesumweltministerium: An dem Projekt nehmen Schülerinnen und Schüler aus 30 weiterführenden Schulen und 10 Tageszeitungen in ganz Deutschland teil. Die Jugendlichen setzen sich unter pädagogischer Anleitung mit aktuellen Umweltthemen auseinander. Als Ergebnis des Projekts finden Sie die von den Schülerinnen und Schülern selbst recherchierten und verfassten Artikel in ihrer Partnerzeitung. Umgesetzt wird das Projekt unter der Schirmherrschaft von Bundesumweltministerin Svenja Schulze durch das IZOP-Institut in Aachen.
In dieser Woche erscheinen auf der Lernenseite und in der Online-Ausgabe des Tagesspiegels Texte von Schülerinnen und Schülern aus zwei zehnten Klassen des Werner-von Siemens-Gymnasiums in Nikolassee. Betreut wurden sie von ihrer Ethiklehrerin Ilona Ruschmeier-Krause.

Franziska Wessel (15) organisiert Friday for Future mit.
Franziska Wessel (15) organisiert Friday for Future mit.

© Felix Hackenbruch

Die Autorin des folgenden Texts, Franziska Wessel, ist Zehntklässlerin am Werner-von-Siemens-Gymnasiums und Hauptvertreterin von Berlins Zweigstelle von Fridays for Future (FFF).

Wo muss ich hin? Ich schreie noch schnell in mein Handy, bevor es ausgeht. Der Akku ist alle. Mein 32. Telefonat heute wurde unsanft beendet.

Es ist 16.17 Uhr. Mein Zug aus Leipzig nach Berlin geht in sechs Minuten, von welchem Gleis weiß ich nicht genau. Ich renne zum Schalter, schaffe es gerade noch auf das richtige Gleis, und als ich dann 15 Minuten später mit dem Handy an der Steckdose im ICE zurück nach Berlin zum wöchentlichen Organisations-Treffen sitze, atme ich auf: Nur vier verpasste Anrufe.

Für mich sind solche Tage inzwischen normal. Vor einem halben Jahr war ich eine normale Schülerin, halbwegs gut in der Schule, viel mit Freunden unterwegs oder auf dem Ponyhof, inzwischen renne ich von Termin zu Termin, um dann zwischendrin in der S-Bahn einige Mails zu beantworten. Wenn mein altes Handy mit der müden Batterie mitspielt.

Heute früh habe ich erst eine Prüfung in der Schule geschrieben, danach ging es zu der Veranstaltung nach Leipzig und jetzt wieder zurück. Abends findet noch ein Treffen mit den anderen Aktiven statt und nachts, vor dem Schlafen, werde ich die wichtigsten Mails beantworten. Ein normaler Tag.

Ein Full-Time-Job neben der Schule

Am Anfang war all das vor allem toll. Wir wurden von Journalisten befragt, bekamen Einladungen und viel, viel Interesse. Das hat uns, hat mich getragen. Doch inzwischen merke ich, wie Stadt für Stadt schon Schüler an dem massiven Arbeitspensum zerbrechen. Und auch ich fühle mich langsam ausgelaugt. In den letzten Monaten gab es kaum einen Tag, an dem ich mehr als sechs Stunden geschlafen habe. Ich habe quasi einen Full-Time-Job neben der Schule. Und das mit 15.

Eine soziale Bewegung zu organisieren ist sehr viel Arbeit. Der viele Zuspruch, der einen zu Beginn so beflügelt, wird irgendwann zum Organisationsproblem. Da sind die dauerhaften Anrufe, die vielen E-Mails und die empörten Nachfragen, wenn man nicht sofort reagiert. Die Treffen mit Experten, die Pressekoordination, die Gespräche mit Politikern – und natürlich das Organisieren der Demos. Jeden Freitag müssen wir in Berlin eine Anlage organisieren, eine Moderation, Schüler mobilisieren und alles Mögliche koordinieren. Natürlich haben wir sehr viele Unterstützer, dennoch ist es für mich inzwischen normal, mal schnell um drei Uhr nachts noch eine Pressemitteilung zu verfassen.

Seit einem halben Jahr sind wir aktiv. Dass hunderte von Jugendlichen ihr komplettes Privatleben aufgeben, damit die Regierung endlich tut, was sie seit Jahren verspricht, finden zwar viele Erwachsende toll, manche niedlich. Doch oft sind die Reaktionen auch brutal, und das bekommen Außenstehende gar nicht so mit. Sie wissen nicht, wie es ist, im Netz persönlich beschimpft zu werden. In Zeitungsartikeln so hart angegriffen zu werden wie Profipolitiker.

Wir haben den politischen Diskus verändert

Wir sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Wir sind eine junge Bewegung mit kaum Erfahrung, wir machen Fehler. Ich zum Beispiel mache so etwas zum allerersten Mal. Wir haben Probleme, auch untereinander, weil wir natürlich zu Beginn nicht bedacht und geplant haben, wer wir sind. Wie wir uns organisieren. Wie man überhaupt eine Bewegung organisiert. Auch „innerhalb“ von „Fridays for Future“ gibt es deswegen Kritiker: Die einen wollen, dass wir schneller handeln. Die anderen, dass wir alle einbinden. Mal reagieren wir zu schnell. Dann bekomme ich den zwanzigsten Anruf, warum wir uns zu einer Aussage irgendeines Politikers noch nicht geäußert haben. Die Ansprüche an uns, so fühle ich es, wachsen von Woche zu Woche. Und ich weiß nicht, wie lange das noch gut geht.

Wir haben den politischen Diskurs komplett verändert, das ist ein riesiger Erfolg. Wir schieben die Politik gerade in die richtige Richtung und wir freuen uns darüber. Doch ganz allein werden wir die Klimakrise nicht stoppen. Liebe Eltern, Erwachsene und Politiker wo seid Ihr?

Franziska Wessel

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