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Mehr als 2.000 neue Lehrer braucht Berlin im Jahre 2014.

© dpa

Personalnot in Berlin: Sechs Schulleiter streiten sich um eine Lehrerin

Die Personalnot an Berlins Schulen wird größer. Es werden so viele neue Lehrer wie nie zuvor gebraucht. Schulleiter streiten sich um die wenigen Bewerber, die Altersermäßigung wird eingeschränkt.

Es wird das Jahr der Entscheidung: Mehr als 2.000 neue Lehrer braucht Berlin im Jahre 2014 – mehr als jemals zuvor in den vergangenen Jahrzehnten. Jetzt wird sich zeigen, ob Berlin trotz geringerer Gehälter als im Bund imstande sein wird, genügend Nachwuchs zu rekrutieren. Die ersten Vorstellungsrunden vermitteln allerdings einen gegenteiligen Eindruck. Angesichts der ernsten Lage versucht die Bildungsverwaltung inzwischen, Lehrer in Bayern zu finden, seitdem bekannt wurde, dass dort 600 Junglehrer auf der Straße stehen. Und auch von den freien Schulen wird fleißig abgeworben.

„Eine unserer Grundschullehrerinnen hat man schon mit drei verschiedenen Angeboten wegzulocken versucht“, berichtet der empörte Leiter einer Spandauer Privatschule. Der Vorgang wirft ein Licht auf die sich abzeichnende Personalnot: Die Pensionierungswelle schlägt in diesem Jahr besonders heftig zu. „Wir brauchen rund 600 Lehrer mehr als 2013“, heißt es aus der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Die Bildungsverwaltung hat einiges unternommen, um diesem hohen Bedarf Rechnung zu tragen: So wurden Lehramtsanwärtern frühzeitig Einstellungsgarantien und Entfristungszusagen gegeben, damit sie gar nicht erst auf die Idee kommen, in andere Bundesländer zu wechseln, in denen die Verbeamtung mehr Geld und Sicherheit verspricht. Aber die Junglehrer reagieren zögerlich.

„Um eine Bewerberin, die nach Spandau wollte, stritten sechs bis sieben Schulleiter“

Einen Eindruck von den zu erwartenden Personalengpässen erhalten zurzeit die Schulleiter, die zu den zentralen Vorstellungsterminen erscheinen. „In der Regel kommt nur ein Fünftel der Bewerber“, berichtet GEW-Sprecher Tom Erdmann. Für die frustrierten Schulleiter bedeutet dies, dass sie zum Teil stundenlang bei den so genannten Castings herumsitzen, um schließlich unverrichteter Dinge in ihre Schulen zurückkehren zu müssen. Lothar Semmel vom GEW-Schulleiterverband fordert dringend ein anderes Prozedere bei den Castings.

„Um eine Bewerberin, die explizit nach Spandau wollte, stritten sechs bis sieben Schulleiter“, berichtet ein Junglehrer. Nachher habe sich die Schulrätin, die die „Auktion“ geleitet habe, außerstande gesehen, zu entscheiden, welche Schule es am nötigsten hätte.

Dem Vernehmen nach ist der Mangel inzwischen sogar im Fach Sport eklatant. Hier seien nur fünf von 34 angeschriebenen Bewerbern überhaupt erschienen, heißt es vom Personalrat. Für das Fach Sonderpädagogik habe es ursprünglich 60 Bewerber gegeben, die ebenfalls abgeschrieben wurden. Hier seien nur 20 erschienen. In Biologie hätten sich 30 von 90 Eingeladenen eingefunden. Bei einem Englischlehrer-Casting seien nur rund 40 von 150 angeschriebenen Bewerbern erschienen.

Bezirke wie Neukölln werden von Bewerbern meist kategorisch ausgeschlossen

Dieses Missverhältnis führt dazu, dass sich die Bewerber die Schulen aussuchen können. „Bezirke wie Neukölln, Lichtenberg oder Marzahn-Hellersdorf wurden meist kategorisch ausgeschlossen“, hieß es nach einem Casting für das begehrte Fach Englisch. Die meisten Bewerber wollten zentral gelegene Schulen, „die auch mit dem Fahrrad gut erreichbar sind“. Sekundarschulen ohne gymnasiale Oberstufe hätten es wieder besonders schwer, Bewerber zu finden. Die Bildungsverwaltung will sich zu den Castings erst äußern, wenn die Verfahren abgeschlossen sind.

Die schlechte Bewerberlage bei den Sekundarschulen hat schon in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sie sich mitunter mit Kandidaten abfinden müssen, die nur mit Mühe und Not das zweite Staatsexamen geschafft haben. In anderen Fällen müssen es die Sekundarschulleiter akzeptieren, Lehrer für ganz andere Fächer einzustellen. „Da muss dann ein Deutschlehrer Mathematik unterrichten und erhält dann das Versprechen, dass es ab nächstem Jahr anders wird“, nennt Florian Bublys von der Junglehrerinitiative „Bildet Berlin“ ein Beispiel.

Wie knapp die Personaldecke offenbar ist, zeigt laut Bublys die aktuelle Anweisung zum Umgang mit der Altersermäßigung. Inzwischen wurde bekannt, dass nicht alle Lehrer davon profitieren: Schulleiter und Lehrer mit anderen Aufgaben werden ausgenommen, ebenso etliche Teilzeitlehrer. Wer aufgrund der Rückzahlung der Arbeitszeitkonten unter eine bestimmte Mindeststundenzahl rutscht, bekommt ebenfalls keine oder weniger Altersermäßigung, was jetzt zu einer besonderen Empörung bei den Personalräten geführt hat.

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