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Denis Hedeler war Vize-Amtsarzt des Bezirksamts Treptow-Köpenick.Doris Spiekermann-Klaas

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Schwarzer Vize-Amtsarzt verlor Posten: Hedeler fordert 36.000 Euro wegen ethnischer Benachteiligung

Der entlassene Vize-Amtsarzt des Berliner Bezirks Treptow-Köpenick sieht sich als Opfer von Rassismus. Er wehrt sich nun und will eine Entschädigung.

Fünf Minuten vor Sitzungsbeginn legte die Anwältin von Denis Hedeler eine Forderung vor. 36.000 Euro Entschädigung möchte sie im Namen ihres Mandanten vom Bezirksamt Treptow-Köpenick. Grund: Hedeler, der frühere Vize-Amtsarzt des Bezirks, gebürtiger Kubaner, Schwarzer, offen homosexuell lebend, sei aufgrund seiner Hautfarbe benachteiligt worden und deshalb nicht zum obersten Amtsarzt des Bezirks befördert worden.

Das Timing war gut gewählt, denn auch der Rechtsvertreter des Bezirks legte sehr kurzfristig einen Schriftsatz vor. Er bot Hedeler „ein neutrales Zeugnis“ an, datiert auf das Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2020.

Richter Arne Boyer nahm das alles interessiert zur Kenntnis, er leitete am Mittwoch den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht, der klären sollte, ob sich beide Parteien näher und vielleicht zu einer Lösung in dem Streit kommen. Es gab aber nur eine Vertagung um rund 14 Tage, die Partien müssen erstmal die jeweiligen Schriftsätze lesen.

Hedeler will am liebsten seine alte Stelle zurück, wahlweise eine Abfindung und ein qualifiziertes Zeugnis. Er ist zwar jetzt Amtsarzt im Kreis Dahme-Spreewald, „aber nicht in leitender Stellung“, wie Hedeler sagte, und seine Anwältin ergänzte: „Das war nicht die Stelle, für die er sich entschieden hätte.“

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Zweimal hat ihm der Gesundheitsstadtrat von Treptow-Köpenick, Bernd Geschanowski (AfD) gekündigt, weil Hedeler die Presse mit Mobbing- und Rassismus-Vorwürfen gegen Geschanowski versorgt habe. Der AfD-Stadtrat habe ihn in einem persönlichen Gespräch wegen seiner Hautfarbe diskriminiert, das hatte Hedeler tatsächlich öffentlich erklärt. 

In einem Bewerbungsverfahren um die freie Stelle des Amtsarztes belegte Hedeler nur Platz zwei, zu einem neu aufgelegten Bewerbungsgang wurde er nicht zugelassen. Geschanowksi machte die Kündigung von Hedeler selbst öffentlich, ein ungewöhnlicher, umstrittener Schritt.

Auf fachliche Kritik mit dem Stichwort Rassismus reagiert?

Hedelers Vorwürfe weist er aber strikt zurück. Auch der Rechtsvertreter des Bezirks erklärte in der Güteverhandlung, der Vize-Amtsarzt habe auf fachliche Kritik an seiner Arbeit immer wieder mit dem Stichwort Rassismus reagiert. 

Auch der Personalrat habe der Kündigung zugestimmt. Und in Hedelers früherem Arbeitsbereich gebe es einen „Zwergenaufstand“, wenn der Exil-Kubaner an seine alte Arbeitsstätte zurückkehre. Die Auswahl eines neues Amtsarztes hätten im Übrigen vier Personen vorgenommen, darunter Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD). 

Geschwanowski habe gar nicht allein entscheiden können. Außerdem fehle Hedeler die für die Stelle nötige Zusatzausbildung. Der Anwalt deutete sogar an, dass es gar kein Vier-Augen-Gespräch zwischen dem Stadtrat und Hedeler gegeben habe, in dem der Arzt rassistisch beleidigt worden sei. Hedeler sagte dem Tagesspiegel: „Natürlich hat das Gespräch stattgefunden.“

Richter Boysen wunderte sich, dass Hedeler sich nicht gewehrt hatte, nachdem er nicht zur zweiten Bewerbungsrunde eingeladen worden war, aber nun Entschädigung fordere. Er sagte, „dass Rassismus zwar Markenkern der AfD ist, aber wir wissen nicht, was den Charakter des Gesundheitsstadttrats ausmacht. Man kann nicht aus einer Parteimitgliedschaft auf einen Menschen schließen.“

Bezirksamt konnte die Rassismusvorwürfe nicht bestätigen

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat nach eigenen Angaben „in der Sache intern sehr intensiv daran gearbeitet, die Rassismusvorwürfe aufzuklären“. Dies teilte die von Dirk Behrendt (Grüne) geführte Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung im Namen des Bezirksamts auf eine Anfrage von Sebastian Walter, Grünen-Fraktionsmitglied im Abgeordnetenhaus, mit.

„Im Ergebnis konnte der geäußerte Rassismusverdacht nicht erhärtet werden.“ Zu der Veröffentlichung von Hedelers Kündigung teilte das Bezirksamt mit: „Die Pressestelle war nicht bei der Erstellung der Information und Stellungnahme involviert, und die Verschickung der Information erfolgte nicht über die Pressestelle.“ 

Ob und in welcher Form die umstrittene Veröffentlichung Folgen für Geschanowksi haben wird, ist nicht klar. Das Bezirksamt ließ dazu nur mitteilen: „Eine interne Prüfung innerhalb des Bezirksamtes ist hierzu noch nicht abgeschlossen.“

Hedeler: "unerträgliche persönliche Situation"

Ausführlicher waren die Informationen zur Aufklärung der Vorwürfe. Erstmals am 17. Juni 2020 habe Hedeler auf eine aus seiner Sicht "unerträgliche persönliche Situation" im Gesundheitsamt aufmerksam gemacht. "Dem Schreiben war jedoch nicht zu entnehmen, wie sich die Ausgrenzung und rassistische Benachteiligung gegenüber seiner Person geäußert hat", steht in der Antwort an Walter. 

Die Beschwerdestelle zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) des Bezirksamts habe Hedeler gebeten, „genau zu schildern, wann welche Diskriminierung stattgefunden hat und von wem diese ausging“. Ein persönliches Gespräch sei angeboten und von Hedeler auch wahrgenommen worden. 

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Jedem einzelnen Vorwurf sei nachgegangen worden. "Er ist gebeten worden, an ihn gerichtete diskriminierende E-Mails der AGG-Beschwerdestelle zukommen zu lassen." Von dieser Möglichkeit habe Hedeler keinen Gebrauch gemacht. Hedeler wollte sich auf Tagesspiegel-Anfrage mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht zu den Auskünften des Bezirksamts äußern.

Stattdessen hatte sich zuvor Sebastian Walter über die Pressestelle der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus offiziell zu Wort gemeldet. Er habe mit Hedeler gesprochen, teilte er in einer Pressemitteilung mit, in der er sich massiv auf Hedelers Seite schlug. In der Mitteilung zitierte er dann den Arzt in Bezug auf die Äußerungen des Bezirksamts. Aber am Mittwochnachmittag war es ihm doch zu gefährlich, einfach so mit Hedeler-Zitaten an die Öffentlichkeit zu gehen. Er rückte von ihnen wieder ab.

Das Bezirksamt ließ weiterhin mitteilen: "Auch die Frauenvertreterin des Bezirksamtes hat versucht, mit Herrn H. zu den Rassismusvorwürfen ins Gespräch zu kommen. Zu diesem Gespräch ist Herr H. nicht erschienen. Eine seitens der Dienststelle angebotene externe Konfliktberatung kam daraufhin nicht zustande.“ In der Antwort des Bezirksamts heißt es weiter: „Die Beschwerdestelle konnte keine Benachteiligung im Sinne von § 7 AGG feststellen.“

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