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Berlin: „Schwulsein ist Sünde“: Geldstrafe für Zwischenruf 43-Jähriger beschimpfte Wowereit

auf Trauerfeier für Hildegard Knef

„Tut Buße“, rief der Angeklagte fanatisch. „Ich hab‘ die Wahrheit gesagt!“ Die Worte der Richterin interessierten Andreas R. wenig. Er stand vor Gericht, weil er mit einem Zwischenruf die Trauerfeier für Hildegard Knef am 7. Februar vorigen Jahres in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gestört hatte. Als der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vor mehreren hundert Trauernden mit seiner Rede für den im Alter von 76 Jahren verstorbenen Weltstar beginnen wollte, rief der 43-jährige Hilfsarbeiter sinngemäß: „Herr Wowereit, Schwulsein ist eine Sünde, Sie stehen unter dem Kreuz, tun Sie Buße!“

Im Prozess um diesen Zwischenruf hatte er gestern jede Menge Bibelstellen parat. Allerdings in stark verkürzter Fassung. Seine Aktion sei ein „Liebesdienst nach der Bibel“ gewesen, meinte der Angeklagte, der damals bereits Hausverbot in dem Gotteshaus hatte. Die Richterin hielt dem fülligen Mann mit Vollbart mehrfach vor: „Sie setzen sich über den Willen anderer hinweg, das will die Bibel nicht.“ Die Selbsterkenntnis aber blieb bei dem selbst ernannten Heiligen aus. Er, der Anfang der 80er Jahre während einer Haftzeit zum Gläubigen geworden sei, habe Wowereit „warnen“ wollen, sagte R.

„Ich wollte ihm sagen, dass Homosexualität für Gott ein Gräuel ist.“ Wowereit, der sich zu seiner Homosexualität bekennt, wurde nicht als Zeuge geladen.

Das Amtsgericht Tiergarten hatte zunächst Zweifel am Verstand des Angeklagten, ging dann aber doch von einer vollen Schuldfähigkeit aus. Andreas R., der keiner Kirche angehört und zur Zeit von Sozialhilfe lebt, hat schon mehrfach Gottesdienste gestört. „Ich werde meine Arbeit fortsetzen“, kündigte er an. Er müsse die „Botschaften“, die er empfange, weitergeben.

Wegen der Störung der Trauerfeier und Hausfriedensbruchs verhängte das Gericht eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je zehn Euro. „Sie sind ein völlig uneinsichtiger Mensch, uneinsichtiger geht es nicht mehr“, schimpfte die Richterin am Ende der Verhandlung. Der Fanatiker verabschiedete sich patzig: „Vielleicht sehen wir uns wieder. Halleluja!“

Kerstin Gehrke

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