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Zuhören. Frank-Walter Steinmeier am Hauptbahnhof.

© Bernd von Jutrczenka/Reuters

Steinmeier besucht Flüchtlinge am Hauptbahnhof in Berlin: „Sie spüren lassen, dass wir uns in Deutschland verantwortlich fühlen“

Der Bundespräsident mahnt Bund und Länder, gemeinsam zu agieren – und bezeichnet den Berliner Hauptbahnhof als einen „Symbol der Hilfsbereitschaft“.

Von Sabine Beikler

Die Cousinen Darja und Viktoria, 13 und 17 Jahre jung, sind am Donnerstag nach vier Tagen Flucht aus der Ukraine am Berliner Hauptbahnhof angekommen. Ihre Väter mussten in der südwestukrainischen Hafenstadt Odessa zurückbleiben, an die russische Truppen immer näher heranrücken.

Bisher hätten sie nur von Luftalarm in ihrer Heimatstadt gehört, erzählen die beiden, die nicht auf Dauer in Berlin bleiben wollen. Sie würden lieber in eine kleinere Stadt gebracht werden. Sie hoffen, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können. Das erzählten sie am Donnerstag im Willkommenszelt am Hauptbahnhof, in das auch der Bundespräsident gekommen war.

Vor zwei Wochen besuchte Frank-Walter Steinmeier 100 jüdische Waisenkinder aus Odessa, die in Berlin ankamen. Sie hätten mit ihren Betreuern gerade noch rechtzeitig ihre Stadt verlassen können. „Seit gestern wird auch Odessa beschossen“, sagte Steinmeier nach Gesprächen, die er am Donnerstag mit Kriegsflüchtlingen und Helfern der Stadtmission in dem Zelt geführt hatte.

Täglich würden tausende Geflüchtete aus der Ukraine am Berliner Hauptbahnhof ankommen, „Menschen, die geflohen sind vor den grausamen Angriffen von Putins Armee“, sagte Steinmeier. Die Geflüchteten seien in Sorge um ihre Familie, die sie in der Ukraine zurücklassen mussten.

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Viele Mütter mit ihren Kindern seien nach Deutschland gekommen. „Ich habe in den Gesprächen aber auch erst Erleichterung gespürt, dass sie hier zunächst einmal in Sicherheit sind und die Möglichkeit haben, nach einer langen Reise mit vielen Ungewissheiten hier zunächst einmal zur Ruhe kommen.“ Der Berliner Hauptbahnhof sei zu einem „Symbol der Hilfsbereitschaft“ geworden. Freiwillige würden sich täglich melden, um die Geflüchteten zu versorgen.

Steinmeier: Bund und Länder müssten „an einem Strang ziehen“

Steinmeier betonte, er wolle den Ehrenamtlichen und den hauptamtlichen Helfern danken, dass sie den Flüchtlingen das geben, worauf diese in den letzten Wochen verzichten mussten: „Etwas Wärme, etwas Zuneigung und sie auch spüren lassen, dass wir uns in Deutschland für sie verantwortlich fühlen“, sagte Steinmeier. Bisher seien 150.000 bis 160.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Der Bundespräsident rief dazu auf, dass es nicht wie 2015/2016 zu einem Streit zwischen Bund und Ländern wegen der Verteilung der Flüchtlinge komme. Alle müssten „an einem Strang ziehen“, um diese Aufgabe zu bewältigen. Die Deutschen wüssten, dass im Gegensatz zu 2015/2016 „wir uns hier dauerhafter verantwortlich fühlen müssen“.

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Jeden Tag verteilt die Stadtmission in dem von ihr betriebenen 600 Quadratmeter großen Zelt, „Welcome Hall Land Berlin“ genannt, 500 Kilogramm Obst, 450 Liter Suppe und 3000 Schokoriegel an die Geflüchteten. 400 Menschen haben Platz an den Tischen. In einem abgeschirmten Wickelraum können sich Eltern um ihre Säuglinge kümmern, in einer Spielecke betreuen Helfer:innen den Nachwuchs. Auch für mitgebrachte Haustiere gibt es Futter und Wassernäpfe.

Christian Hofmann gehört zu den ehrenamtlichen Helfern der Stadtmission. Viele Freiwillige würden nicht so gewürdigt werden, wie sie es verdient hätten, sagt er. Er empfand das Gespräch mit Steinmeier, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, als gut. Er gehe davon aus, dass der Bundespräsident diese Kritik „vielleicht im Kopf“ behalten werde.

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