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Berlin: Sieben Jahre Haft für Amokläufer

17-Jähriger hatte bei der Eröffnung des Hauptbahnhofs im vergangenen Jahr 33 Menschen verletzt Politiker fordern hartes Vorgehen auch gegen Zwölfjährigen, der am Mittwoch auf einen Mann einstach

Er wollte „Macht und Überlegenheit“ demonstrieren, er hatte sich entschlossen, als „Herr über Leben und Tod zu agieren“. Zu diesen Erklärungen kamen die Richter gestern im Prozess gegen Frank P. (Name geändert), dem Amokläufer vom Hauptbahnhof. Schuld und Strafe stehen fest: Frank P. wurde wegen versuchten Totschlags in 33 Fällen sowie Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. „Er akzeptiert das Urteil“, sagte sein Verteidiger.

Es ging am 26. Mai vorigen Jahres auf Mitternacht zu, als der blutige Amoklauf des damals 16-jährigen Schülers aus Neukölln begann. Der stark angetrunkene Jugendliche kämpfte sich zunächst durchs Gedränge. Das war kurz nach der Eröffnungsfeier, zu der mehr als 500 000 Besucher in den Spreebogen gekommen waren. Dann hatte Frank P. ein Klappmesser in der Hand. Wahllos stach er auf Passanten ein. 25 Minuten lang, auf einer etwa ein Kilometer langen Strecke.

Frank P. habe nicht töten wollen, befanden die Richter. Der mögliche Tod von Menschen sei ihm jedoch gleichgültig gewesen. Es sei auch nicht auszuschließen, dass der Jugendliche aufgrund seiner Alkoholisierung nicht erkennen konnte, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit der feiernden Menschen ausnutzte.

Der Alkohol – laut Gutachten hatte Frank P. zur Tatzeit knapp über zwei Promille – führte laut psychiatrischem Gutachten zu einer verminderten Schuldfähigkeit. Doch eine Strafmilderung versagten ihm die Richter. Frank P. habe nach früheren Vorfällen gewusst, dass er unter Alkohol zu Aggressionen neige.

Kaum hatten die Verletzten den ersten Schock überstanden, wurden sie mit einer unheimlichen Bedrohung konfrontiert: Eines der Opfer leidet an der Immunschwäche Aids. Nach dem Angriff auf den erkrankten Mann hatte Frank P. noch mindestens weitere 15 Menschen verletzt. Monatelang lebten sie in der quälenden Angst, ebenfalls mit dem HI-Virus infiziert zu sein.

Die Opfer berichteten im Prozess von dem Angriff eines Mannes, den sie kaum wahrgenommen hatten, von den Verletzungen und psychischen Folgen. Einige der Betroffenen sind bis heute arbeitsunfähig. Viele haben mit Ängsten und Schlaflosigkeit zu kämpfen.

Frank P. kann sich angeblich an seine Taten nicht erinnern. Von Verdrängung sprach der Gutachter. Dem jungen Mann müsse in der Haft die Möglichkeit gegeben werden, das Geschehen aufzuarbeiten, auch mit professioneller Hilfe, sagte der Verteidiger. Fest aber stehe: „Es tut ihm alles außerordentlich leid.“ In seinem Schlusswort hatte sich Frank P. entschuldigt.

Mit Fassungslosigkeit haben Politiker und Polizeibeamte unterdessen auf die Tat eines zwölfjährigen Messerstechers am Mittwoch reagiert: Der türkische Junge hatte, wie berichtet, zunächst einen Rentner auf dem U-Bahnhof Wittenau angepöbelt und dann einem 55-jährigen Zeugen, der sich einmischte, in den Rücken gestochen. Der Mann erlitt eine leichte Verletzung im Schulterblatt. Der Junge blieb auf freiem Fuß, da er mit zwölf Jahren strafunmündig ist.

Die Mutter des Jungen lebt getrennt von ihrem Mann in Spandau. Die Familie wird „seit längerem vom Jugendamt betreut“, sagte der Leiter des Amtes, Gerd Mager. „Allerdings nicht wegen solch schwerwiegender Vorfälle.“ Am Montag wollen sich die Mitarbeiter mit der Familie zu einem Gespräch treffen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Mutter damit einverstanden ist. „Bislang sieht es so aus, als ob sie zustimmt“, sagte Mager.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Henkel, forderte „harte und abschreckende Sanktionen“, falls die Familie die Zusammenarbeit verweigern sollte. Die Einführung eines Bußgeldes für nicht-kooperative Eltern, wie es SPD-Chef Michael Müller vergangene Woche forderte, unterstützt Henkel. Allerdings müsse das Strafmündigkeitsalter von 14 auf zwölf Jahre herabgesetzt werden, zudem solle ein „Warnschussarrest“ abschreckend wirken.

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