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Singende Diplomaten in Berlin: „Man kann so unglaublich viel ausdrücken mit Musik“
„Krieg und Hoffnung“ heißt das Programm, das der Diplomatische Chor im kommenden Frühjahr aufführt. Mehr als 20 Nationalitäten sind vertreten. Gründerin Barbara Leifer ist selbst Opernsängerin.
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Leider ist das Programm des „Konzerts ohne Grenzen“, das der Diplomatische Chor Berlin im kommenden Frühjahr unter anderem in der Potsdamer Friedenskirche und der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche aufführen will, hochaktuell. Es heißt „Krieg und Hoffnung“.
Dahinter steht die Idee, dass Musik sowohl als Zeuge als auch als Antwort auf die menschlichen Erfahrungen von Krieg und Frieden dient. „Man kann so unglaublich viel ausdrücken mit Musik“, sagt die Gründerin und Dirigentin des Chors, Barbara Leifer. In dem abendfüllenden Programm kommen unter anderem Werke von Rossini, Bellini, Verdi und Donizetti zu Gehör.
Die Stücke drücken verschiedene Phasen aus zwischen der Harmonie und Gelassenheit des Lebens vor dem Konflikt, dem anfänglichen Enthusiasmus und der darauffolgenden Desillusion, dem Kampf, der Vertreibung und anschließend der Hoffnung, der Erlösung und Versöhnung. Leifer hofft noch auf Sponsoren, die es ermöglichen, auch ein Orchester und Solisten an Bord zu holen.
Sänger unterschiedlicher Hautfarbe und Einkommen
Das sollte kein größeres Problem sein, denn mit Applaus wird der Diplomatische Chor Berlin immer empfangen, egal, wo und bei welchem Anlass. Dabei sind es keineswegs nur Profis, die dort mitsingen. Barbara Leifer war es von Anfang an wichtig, ein Ensemble zu gründen mit Mitgliedern aus vielen Nationalitäten, aus vielen Schichten und Generationen.
„Wir haben mehr als 20 Nationalitäten, Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Einkommen“, erzählt sie. Manche arbeiten im Auswärtigen Amt, andere in Botschaften, manchmal stoßen Studenten der Hanns-Eisler-Hochschule für Musik dazu. Mit Beginn des Kriegs in der Ukraine kamen renommierte Opernprofis dazu, die der Krieg in die Flucht geschlagen hatte.
Schon als kleines Mädchen wusste Leifer ganz genau, was sie für den Rest ihres Lebens machen wollte: Musik! Singen, das war ihre Passion in den Kinderjahren in Kansas City. Von klein auf lernte sie auch das Klavierspiel. Zum Studium brach sie aus dem Mittleren Westen auf nach New York.
Dort bestand sie die anspruchsvolle Aufnahmeprüfung für die berühmte Juilliard School. Nach erfolgreichem Examen trat sie als Sängerin in Opern und bei Konzerten auf, tourte mit dem San Francisco Opera Ensemble unter anderem in der Rolle der Carmen durchs Land.
Rigoletto und Weills Dreigroschenoper
Später stand sie unter anderem als Maddalena in Rigoletto, Dorabella in Cosi fan tutte und Lucy in Weills Dreigroschenoper auf der Bühne. Ihr Hauptquartier war inzwischen New York. Sie gab dort auch Gesangsunterricht und coachte andere Künstler vor dem Vorsingen.
Einer ihrer Schüler, ein Tenor, fragte sie eines Tages, ob sie nicht ein Konzert in der Carnegie Hall dirigieren könne. Er organisierte das selbst für einen guten Zweck. Erst wehrte sie ab. Dann bat sie einen ihrer ehemaligen Professoren an der Juilliard School um Hilfe.
Heirat mit Schweizer Diplomaten
Fünf Monate dauerte ihre Ausbildung zur Dirigentin. Nach dem frühen Tod ihres ersten Mannes lernte sie 2010 einen Schweizer Diplomaten kennen, der bei den Vereinten Nationen auf Posten war. Zwei Jahre später heiratete sie ihn und folgte ihm an seine neue Station, die Schweizer Botschaft in Berlin.
In Deutschland war sie schon früher aufgetreten, hatte außerdem als Opernsängerin in Italien und Paris gelebt. Von Anfang an war ihr klar, dass das Leben als Diplomatenfrau nicht genug sein würde für sie.
Wenn man in Berlin etwas machen will, bekommt man auch die Möglichkeit dazu.
Barbara Leifer, Chorgründerin und Dirigentin
Ihren ersten Chor gründete sie 2013 in einer Gruppe des Diplomatenclubs „Willkommen in Berlin“. Bald wollte sie ihn vergrößern, holte Freunde und Bekannte dazu. Zugunsten der von einem Taifun getroffenen Philippinen gab der Chor 2017 ein Charity-Konzert im roten Rathaus.

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Leifer genoss das Leben in Berlin, die vielen Konzerte, aber vor allem die Offenheit der Stadt. „Wenn man in Berlin etwas machen will, bekommt man auch die Möglichkeit dazu.“ Umgekehrt versetzte die Arbeit mit dem Chor sie selbst in die Lage, den geflüchteten ukrainischen Opernsängerinnen Auftritts- und sogar Verdienstmöglichkeiten zu geben.
Viel beachtetes Konzert am Flughafen Tempelhof
In Kooperation mit der US-Botschaft gab der Chor gemeinsam mit dem Jugendorchester der Carnegie Hall im Sommer 2022 ein großes, viel beachtetes Konzert am Flughafen Tempelhof. Unter anderem führten sie ein Spiritual und ein Wiegenlied des Komponisten Arvo Pärt auf. Die Begleitung durch ein Streichorchester fand sie besonders schön. Weitere Konzerte folgten.
Auch bei der Feier zum amerikanischen Unabhängigkeitstag traten die singenden Diplomaten auf. Dass es unter ihnen auch Konflikte gab, gibt Barbara Leifer freimütig zu, zwischen Irakern und Syrern, Ukrainern und Russen. Aber immer konnten sie durch die Kraft der Musik beigelegt werden.
Ganz bewusst vereint sie im Repertoire verschiedene Kulturen und Glaubensrichtungen, christliche, jüdische und islamische Elemente zu einer gemeinsamen musikalischen Sprache, die Brücken baut.
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