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Eine Lehrerin hilft einer Schülerin an der Tafel beim Einsatz des Zirkels.

© Getty Images/iStockphoto

„So wahr mir Gott helfe" steht im Gesetz: Kopftücher bei Beamtinnen zu untersagen, ist nicht neutral

Wer sich vor Gericht oder in der Schule wegen eines Kopftuchs falsch behandelt fühlt, kann sich anders wehren. Eine Replik auf Berlins Ex-Innensenator Körting.

In einem Gastbeitrag im Tagesspiegel „Warum das Kopftuchverbot bei der Polizei und im öffentlichen Dienst richtig ist“ stellt Ehrhart Körting, ehemaliger SPD-Innensenator Berlins, einige Behauptungen auf, die im Zusammenhang mit der Ermächtigungsgrundlage für ein bundesweites Kopftuchverbot für Beamt:innen stehen.

So behauptet er, dass eine kopftuchtragende Richterin den Anschein erwecke, dass Urteile „im Namen Gottes“ gesprochen werden. Dabei verkennt Körting, dass jede Richter:in kraft ausdrücklicher Regelung ihre Religiosität öffentlich bekunden darf. So hat auch der Richtereid an Fachgerichten (Paragraf 38 Deutsches Richtergesetz) anders als bei Richter:innen des Bundesverfassungsgerichts in öffentlicher Sitzung zu erfolgen. Die gesetzliche Norm enthält sogar den Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ – auch wenn diese Formulierung auf Wunsch weggelassen werden kann.

Zudem gibt es bereits die Möglichkeit bei Zweifel an der Befangenheit einer Richter:in einen Befangenheitsantrag zu stellen und auch den Straftatbestand der Rechtsbeugung. Warum diese beiden Möglichkeiten nicht ausreichen, um den Anschein der Neutralität der Justiz zu wahren, erschließt sich nicht.

Körting versteigt sich im Weiteren auch zu der Behauptung, dass jede kritische Frage zum Islam aufgrund einer „falschen Political Correctness“ als Islamophobie oder Rassismus „verteufelt“ werde. Um welche „kritische Frage zum Islam“ geht es hier? Beim kritisierten Gesetzentwurf geht es nicht um „Fragen an den Islam“.

Der Staat muss Religionsfreiheit sicherstellen

Vielmehr ging es ursprünglich darum, einen Gesetzentwurf vorzulegen, wie Polizist:innen mit verfassungsfeindlichen Tattoos – wie beispielsweise einem Hakenkreuz – aus dem Dienst entfernt werden beziehungsweise erst gar nicht verbeamtet werden können. Es stellt sich nach wie vor die Frage, warum diese Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes dazu genutzt werden konnte, religiöse Symbole bei Beamt:innen verbieten zu können. Ein Staat, der sich zu Religionsfreiheit und Antidiskriminierungsregelungen verpflichtet hat, muss sich die Frage stellen lassen, wie diese auf allen gesellschaftlichen Ebenen umzusetzen und sicherzustellen sind.

Die Autorin: Rabia Küçüksahin.
Die Autorin: Rabia Küçüksahin.

© privat

[Rabia Küçüksahin ist Jura-Studentin in Frankfurt (Main) und hat eine Petition gegen das „Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten“ gestartet. Sie antwortet auf einen Gastbeitrag von Ehrhart Körting: Warum das Kopftuchverbot bei der Polizei und im öffentlichen Dienst richtig ist.]

Des Weiteren verweist Körting auf das Berliner Neutralitätsgesetz, das verhindern sollte, dass kopftuchtragende Lehrer:innen ihre Schüler:innen zwingen (!), eine Kopfbedeckung zu tragen. Nun sind aus der öffentlichen Debatte keine Fälle bekannt, in denen Lehrer:innen versucht hätten, Schülerinnen zum Tragen eines Kopftuches zu zwingen, zumal der Beutelsbacher Konsens – in dem Grundsätze der politischen Bildung festgelegt werden – ein solches Vorgehen scharf verurteilen würde.

Eine Bringschuld des Staates beim Schutz vor Diskriminierung

Dass dies dienstrechtliche Konsequenzen hätte, ist selbstverständlich. Flächendeckend noch nicht geregelt ist bislang allerdings, wie Schüler:innen gegen Diskriminierungen und Rassismus seitens ihrer Lehrer:innen vorgehen können. Dies ermöglicht erst seit Neuestem die Berliner Justiz unter Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) durch das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz.

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Der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Bernhard Franke, hat zu dieser Argumentation bei der Vorstellung des Jahresberichts 2020 vor ein paar Tagen deutliche Worte gefunden. Der Staat stehe beim Diskriminierungsschutz gegenüber den Betroffenen in einer Bringschuld. Gespalten sei eine Gesellschaft, die Diskriminierung nicht benennen, die Minderheiten als Störenfriede verstehe und sie zum Schweigen dränge.

Franke, wird noch deutlicher: „Es ist Rassismus, der Menschen ihre Würde nimmt. Es ist Rassismus, der unsere Gesellschaft spaltet – und nicht, dass Menschen ihn offen ansprechen und zur Sprache bringen. Wer Rassismus und Diskriminierung erlebt, wer auch noch die Erfahrung macht, dass sie folgenlos bleibt, bei dem bröckelt nachvollziehbar das Grundvertrauen auf den Schutz und die Solidarität von Staat und Gesellschaft. Ein starker Diskriminierungsschutz darf gerade auch in Zeiten der Pandemie nicht zum Thema zweiter Klasse werden.“

Rabia Küçüksahin

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