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Umstritten: Handynutzung bei Tisch.

© Britta Pedersen/dpa

Kolumne Sonntagsfragen: Sollte das Handy bei Tisch ausgeschaltet bleiben?

Beim festlichen Familiendinner ist ein Gast permanent mit dem Telefon beschäftigt. Unsere Kolumnistin weiß Rat.

"Zum festlichen gemeinsamen Familiendinner sind auch zwei Freundinnen meiner Enkeltöchter gekommen. Gänsebraten duftet, Rotwein wird eingeschenkt, da meldet sich das Handy der einen Freundin, und sie ist nun intensiv mit ihrer Mitteilung beschäftigt. Ich fand dieses Verhalten ausgesprochen rücksichtslos. Als Einzige habe ich darum gebeten, doch das Handy auszuschalten. Die Freundin meinte aber, sie sei frisch verliebt, und benutzte dann das Handy den ganzen Abend lang. Bin ich engstirnig?"

Natürlich hat sich die junge Frau grob unhöflich verhalten. Das ist auch keine Frage des Alters oder der Generationszugehörigkeit. Wer nicht von selber merkt (oder möglichst auch schon vorher weiß), dass bei einem festlichen Dinner der Umgang mit dem Telefon außer in Notfällen tabu ist, zeigt schon eklatante Defizite in seinem Benehmen.

Ihre Bitte einfach zu ignorieren ist kaum nachvollziehbar. Sie haben sich zu Recht geärgert, sich aber hoffentlich nicht den Abend verderben lassen. Zumal sich die junge Frau auch noch sehr altmodisch verhalten hat. Gebildete junge Leute sind sich der Vorzüge temporärer Smartphone-Abstinenz oft durchaus bewusst und praktizieren sie teilweise auch.

Seit der Erfindung des Telefons hält sich der Irrtum, dass diese Art der Kommunikation immer und unter allen Umständen Vorrang haben müsse vor dem Austausch mit physisch anwesenden Menschen.

Die Einladung in eine festliche familiäre Runde ist ein kostbares Geschenk. Dafür sollte man Wertschätzung zeigen. Den Wünschen der Gastgeber nachzukommen ist wohl das Minimum dessen, was man verlangen kann. Der uralte Großmutterratschlag, dass es der Liebe guttun kann, wenn man den jungen Mann mal etwas zappeln lässt, wäre wahrscheinlich auch ins Leere gegangen. Ein bisschen Humor wäre schon notwendig, um damit umzugehen, und ich bezweifele, dass ihr junger Gast damit gesegnet war.

Ja, es kann immer gute Gründe geben, trotzdem ein Smartphone zu benutzen. Man könnte die Tafelrunde kurz verlassen und den Mann am anderen Ende des Smartphones wissen lassen, dass er jetzt mal bitte zwei Stunden Ruhe geben soll. Oder man sagt den Familienabend ab und verabredet sich gleich mit der großen Liebe, was ja nur konsequent wäre.

Nein, Sie sind nicht engstirnig. Aber für die nächste Einladung sollten Sie vielleicht einen Zusatz einplanen. Etwa so: „Ich wünsche mir keine besonderen Mitbringsel, nur Eure ungeteilte Aufmerksamkeit. Die aber sehr.“

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