Berlin: Sonntagsverkauf: Senat will offenkundigen Rechtsbrüchen nicht tatenlos zusehen
Der Senat will dem öffentlich angekündigten Rechtsbruch einiger großer Kaufhäuser, die beim Sonntagsverkauf einschränkende Vorschriften umgehen wollen, nicht tatenlos zusehen. "Illegales Verhalten wird geahndet, ohne schuldhaftes Zögern", kündigte der amtierende Senatssprecher Eduard Heußen gestern an.
- Cay Dobberke
- Ulrich Zawatka-Gerlach
Der Senat will dem öffentlich angekündigten Rechtsbruch einiger großer Kaufhäuser, die beim Sonntagsverkauf einschränkende Vorschriften umgehen wollen, nicht tatenlos zusehen. "Illegales Verhalten wird geahndet, ohne schuldhaftes Zögern", kündigte der amtierende Senatssprecher Eduard Heußen gestern an. Wer am Sonntag vorhabe, nicht nur Freizeit- und Tourismusartikel, sondern sein gesamtes Sortiment zu verkaufen, bewege sich außerhalb der Toleranzschwelle. Der Kaufhof am Alex, der Elektronikmarkt Saturn und das Kulturkaufhaus Dussmann hatten dies angekündigt.Die Gesundheits- und Sozialverwaltung, deren Aufsicht das Landesamt für Arbeitsschutz unterliegt, will das nicht dulden. "Die Rechtsvorschriften müssen eingehalten werden und das Landesamt ist gehalten, darauf zu achten", sagte Behördensprecher Christoph Abele. Alle Einzelhändler, auch die großen, hätten seit geraumer Zeit die Möglichkeit, sich über die neuen Sonntagsverkauf-Vorschriften ausreichend zu informieren. Er könne zwar die Ungeduld des Einzelhandels verstehen, "aber die Gesetze sind, wie sie sind." Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler sieht ihre Befürchtung bestätigt, daß die neue Sonntagsregelung zum Mißbrauch verführe. "Ein Dammbruch droht", erklärte ihr Sprecher Klaus-Peter Florian. DGB-Sprecher Dieter Pienkny sprach von "Straßenkampfmethoden". Teile des Einzelhandels seien offenbar wild entschlossen, leichten Fußes über Arbeitsschutz- und andere Bestimmungen hinwegzugehen.Das Landesamt für Arbeitsschutz schloß gestern nicht aus, in "einzelnen Fällen" bereits morgen einzuschreiten. Bußgelder bis 5000 Mark und Zwangsgelder bis 100 000 Mark können verhängt und die Ladenschließung angeordnet werden. Das Kulturkaufhaus Dussmann geht mit der geplanten Sonntagsöffnung von 10 bis 22 Uhr, die am 5. September beginnen soll, ein zusätzliches Risiko ein: Es droht der Entzug der bisherigen Spätverkaufs-Erlaubnis. Diese gestattet Dussmann den Verkauf bis 22 Uhr zwischen Montag und Sonntag. In der Genehmigung steht: "Wir weisen vorsorglich darauf hin, daß Sie bei einem Verstoß gegen das Ladenschlußgesetz (. . .) mit dem sofortigen Widerruf der Ausnahme rechnen müssen". Hartwig Schulte-Loh, Geschäftsführer des Dussmann Kulturkaufhauses: "Wir sind uns der Risiken und Gefahren durchaus bewußt."Die Betriebsvereinbarung des Kaufhofes über den Sonntagsverkauf, für die ein Schlichtungsverfahren notwendig wurde, kam nur zustande, weil der Schlichter - der Präsident des brandenburgischen Landesarbeitsgerichts, Hans-Friedrich Eisemann - mit den Arbeitgebern stimmte. Warum der Arbeitsrichter für den illegalen Sonntagsverkauf votierte, ist unklar. Er war gestern nicht zu erreichen. Der Kaufhof will sein gesamtes Warensortiment anbieten. Auch der Elektronikmarkt Saturn (am Alex) will am Sonntag öffnen. Welchen "Trick" Saturn anwendet, um Gefrierschränke und Waschmaschinen als Andenken zu verkaufen, wollte Geschäftsführer Matthias Kreuzburg nicht sagen. Pro Markt am Kurfürstendamm beobachtet die Konkurrenz mit Argwohn: Geschäftsleiter Peter Achenbach will aber warten, "bis eine eindeutige Rechtlage besteht." Sein Kaufhaus könne es sich nicht leisten, die Kunden durch ständig neue Öffnungszeiten zu verunsichern. Der Geschäftsführer von Wertheim am Kurfürstendamm, Volker Pesarese, kritisierte den Kaufhof, der alle Artikel mit einem "Berlin-Souvenir"-Aufkleber versehen will. Dies sei ein "Roßtäuscher-Trick". Wertheim bleibe am Sonntag geschlossen. Wenn der Senat aber von Sanktionen absehe, müsse man darüber "dringend neu nachdenken". KOMMENTARNicht im HandstreichSo nicht. Wer den Sonntag deregulieren will, wer ihn nicht mehr für heilig hält, auch nicht für schützenswert, wem er gleichgültig ist, wer keinen Verkäufer(in) in der Familie hat und wem das Einkaufen ohnehin über alles geht - der kann selbstverständlich gegen den Ladenschluß am Sonntag demonstrieren, agitieren und auch mobilisieren. Er kann nur eins nicht: Das Gesetz im Handstreich aus der Welt schaffen.Die betreffenden Firmen müssen von allen guten Geistern verlassen sein, wenn sie glauben, sich mit einem billigen Trick über das geltende Sonntagsrecht hinwegsetzen zu können. Sie mögen sich als Vollstrecker des Volkswillens verstehen oder als Vorhut der Konsum-Geschichte. Sie mögen allgemeine Gründe für ihre speziellen Interessen in Anspruch nehmen.Aber selbst wenn dies alles so wäre: So geht das nicht in diesem Lande. Das Recht soll für alle gleich sein, für Tante Emma und für Kaufhof. Das müßten die Revoluzzer auch einsehen. Denn wenn jetzt jemand käme und sagte, das Strafgesetzbuch ist dereguliert, Ladendiebstahl ist jetzt frei: Dann würden sie, und würden auch wir erklären: So nicht. - pen