Berlin: Sozialstadträtin muss Jugendbehörde abgeben Spandau zieht Konsequenzen aus einem Fall von Kindesmisshandlung
Der Fall der von ihrer Mutter schwer misshandelten Marie T. hat jetzt auch politisch seinen vorläufigen Abschluss gefunden.
Der Fall der von ihrer Mutter schwer misshandelten Marie T. hat jetzt auch politisch seinen vorläufigen Abschluss gefunden. Die CDU-FDP-Mehrheit in der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung hat beschlossen, Gesundheits- und Sozialstadträtin Birgit Bialkowski (SPD) die Zuständigkeit für den Kinder- und Jugend-Gesundheitsdienst (KJGD) zu entziehen. Er soll künftig dem von Vizebürgermeisterin Ursula Meys (SPD) geleiteten Dezernat Jugend und Familie unterstellt werden. Die letzte Entscheidung über die Verteilung der Geschäftsbereiche trifft allerdings das Bezirksamt.
Unabhängig davon sollen sich in Spandau künftig die verschiedenen Behörden gegenseitig über Hinweise auf Kindesmisshandlungen informieren. Das Bezirksamt soll laut SPD-Antrag ein Konzept entwickeln, wie die Gesamtverantwortung für Kinder künftig organisatorisch, strukturell und personell optimiert werden kann. Besonderes Gewicht soll dabei auf die Zusammenarbeit von Gesundheitsbehörde, Schule, Jugendhilfe und Polizei gelegt werden.
Wie berichtet, hatte die Gesundheitsbehörde bereits vor mehr als einem Jahr Hinweise erhalten, dass das 19 Monate alte Mädchen Marie T. zu Hause schwer misshandelt wurde. Nach einem Besuch von Mutter und Kind im Amt, bei dem keine Auffälligkeiten festgestellt wurden, hatte der Kinder- und Jugend-Gesundheitsdienst aber keine Notwendigkeit für weitere Kontrollen gesehen. Anfang Dezember fand die von Nachbarn alarmierte Polizei Marie dann schwer verletzt und an ihr Bett gefesselt auf. Die Mutter wurde verhaftet, das Mädchen befindet sich noch immer im Krankenhaus und hat seit der vergangenen Woche Pflegeeltern.
Nach einem Gutachten des Rechtsamtes hatten sich die KJGD-Mitarbeiter korrekt verhalten und eine „ermessensfehlerfreie Entscheidung“ getroffen.
FDP-Fraktionschef Karl-Heinz Bannasch wirft der Behörde dennoch vor, „unzureichend“ auf die Hinweise reagiert zu haben. Stadträtin Bialkowski habe außerdem die Öffentlichkeit zunächst nicht genügend informiert. Die bisherige Zusammenarbeit zwischen Gesundheits- und Jugendamt hat aus seiner Sicht nicht funktioniert. „Hier müssen grundsätzliche Strukturen verändert werden“, sagte auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Kersten Schröder. „Ein Kind, eine Anlaufstelle“, lautet seine Forderung.
Auch die SPD sieht Verbesserungsbedarf, um „solche Probleme früher zu erkennen“. Sie hat aber Bedenken gegen eine Zusammenlegung der Zuständigkeiten. Eine Betreuungsbehörde wie die Familienfürsorge dürfe nicht zugleich Aufsichtsbehörde wie der Kinder- und Jugend-Gesundheitsdienst sein. Da Ärzte nur anderen Ärzten unterstellt werden dürfen, müsste ein dem Jugendamt angegliederter KJGD künftig auf die Beschäftigung von Medizinern verzichten, glaubt Angelika Höhne von den Grünen. Aus ihrer Sicht liegt die Misere nicht in der Zuständigkeit, sondern in der fortschreitenden Personalreduzierung.
Rainer W. During