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"Es gibt Aufgaben, die wichtiger sind als wir selbst". Jan Stöß wird nicht erneut für den SPD-Landesvorsitz kandidieren.

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Update

Machtkampf um Landesvorsitz der Berliner SPD: SPD-Landeschef Jan Stöß tritt nicht wieder an

Der Parteivorsitzende will die Berliner SPD nicht in eine Zerreißprobe führen. Stattdessen tritt Regierungschef Michael Müller an, er wolle die Kräfte bündeln.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der amtierende SPD-Landeschef Jan Stöß wird auf dem Parteitag am 30. April nicht wieder für den Landesvorsitz kandidieren. Er reagierte damit auf den am Mittwoch vom Regierenden Bürgermeisters Michael Müller angekündigten Anspruch, den Parteivorsitz selbst zu übernehmen. "Ich habe als Landesvorsitzender der Berliner SPD dafür gearbeitet, dass unser Landesverband gut aufgestellt und geeint in den Wahlkampf ziehen kann. Dabei sind wir gut vorangekommen", erklärte Stöß am Donnerstag.

Er habe Michael Müller als Regierenden Bürgermeister und als designierten Spitzenkandidaten immer unterstützt, so Stöß, " und das tue ich auch weiterhin". Mit dessen Kandidatur sei aber eine neue Situation entstanden. "Auf diese andere, neue Situation muss ich reagieren. Keinesfalls will ich nämlich unseren Landesverband in eine Zerreißprobe führen, die den Erfolg der SPD bei den Wahlen im September aufs Spiel setzen würde."

Der Regierende Bürgermeister hatte am Vortag angekündigt, für den Landesvorsitz der SPD zu kandidieren. "Wir brauchen eine Struktur, die die Kräfte bündelt für den Wahlkampf und die Zeit danach", sagte er am Mittwochmorgen in den Räumen des SPD-Kreisverbands Tempelhof-Schöneberg in der Hauptstraße, wo er auf einer Pressekonferenz seinen Schritt begründete. Es gehe darum, ein Signal zu senden an die Stadt und die eigene Partei.

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Bundesweit zeichneten sich schwierige und knappe Wahlergebnisse ab, sagte Müller. Es werde schwierig, zu tragfähigen Regierungen zu kommen. In einer solchen Zeit sei es wichtig, "nicht über drei Pole Entscheidungen herbeizuführen", sondern eine klare Führung zu haben. Mit den drei Polen meinte er sich selbst, den SPD-Landeschef Jan Stöß und SPD-Fraktionschef Raed Saleh.

Müller deutete auch an, dass es Konflikte mit dem derzeitigen Landeschef gab, dass seine - also Müllers - Wünsche nicht immer Berücksichtigung in der Parteispitze gefunden hätten. Beispielsweise wurde die von Müller gewünschte Einbindung von Vertrauten in den künftigen SPD-Landesvorstand, vor allem des Stadtentwicklungssenators Andreas Geisel, von Stöß fast boykottiert.

Müller stimmt aber auch versöhnliche Töne an. Er sagte mit Blick auf Stöß: "Wir wollen eng beieinander bleiben." Es habe auch Phasen einer guten Zusammenarbeit gegeben. Stöß sei ein "wichtiger politischer Kopf für die SPD", und er kandidiere für das Abgeordnetenhaus. Man werde gemeinsam sehen, "welche Möglichkeit es gibt, dass er seine Kompetenz in die SPD-Politik weiter einbringen kann."

Die SPD verliert an Kraft und liegt bei 23 Prozent

In der Bundes-SPD wird befürchtet, dass die Übernahme des Landesvorsitzes durch Müller einen Teil des Berliner Landesverbandes kurz vor der Wahl des Abgeordnetenhauses demotiviert. "Es gibt Zweifel, ob es in Berlin wieder gelingt, die Partei zu einen", sagte ein Spitzengenosse. Eine motivierte Parteibasis sei entscheidend für ein gutes Wahlergebnis. Zugleich wurde Bedauern darüber geäußert, dass es Stöß und Müller nicht gelungen sei, in einem gemeinsamen, geordneten Verfahren eine Aufgabenteilung zu vereinbaren. Programmatisch hatte Stöß während seiner Amtszeit als Parteilinker weit mehr Anstöße in der Bundespartei gegeben als Müller. Der Wechsel zu Müller werde deshalb in der Bundes-SPD "die Wirksamkeit des Landesverbandes Berlin nicht erhöhen", hieß es nüchtern.

Während Müller seine eigene Position in der Partei stärken will, gehen die Werte für die Berliner SPD weiter nach unten. In der Wahlumfrage Berlin-Trend Infratest-Dimap (von Morgenpost und RBB) verlieren die Sozialdemokraten derzeit zwei Punkte und kommen nur noch auf 23 Prozent. Das ist der schlechteste Wert für die SPD in zehn Jahren. Wie aus der Umfrage hervorgeht, sank die Zufriedenheit der tausend Befragten mit ihrem Regierenden ebenfalls um zwei Punkte auf 47 Prozent. Das ist das schlechteste Ergebnis seit Müller im Amt ist. Außerdem sind nur 36 Prozent der Befragten mit der Arbeit des Senats zufrieden. Die Zustimmungswerte für den Regierungschef Müller sinken ebenfalls.

Jan Stöß (links), rechts Michael Müller.
Jan Stöß (links), rechts Michael Müller.

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Die CDU hat die SPD trotz der schlechten Ergebnisse noch nicht eingeholt und stagniert bei 21 Prozent. Würde das Wahlergebnis bei der Abgeordnetenhauswahl im September so ausfallen, stünde eine rot-schwarze Koalition ohne Mehrheit da. Auch die Linken stagnieren – bei 16 Prozent. Die Grünen verloren zwei Prozentpunkte und liegen bei 17 Prozent. Eine breite Mitte also ohne handfesten Sieger – bislang. Bis zur Wahl können sich die Umfragewerte noch erheblich ändern. Die AfD legte als einzige Partei stark zu. Ihre Prozentpunkte kletterten von 10 auf 13. Die wieder aus der Versenkung kommende FDP würde derzeit die 5-Prozent-Hürde nehmen und damit wieder ins Parlament ziehen.

Müller sagte dazu, er nehme diese Umfragen sehr ernst. Einerseits helfe der Landes-SPD die "Situation auf der Bundesebene nicht", andererseits stärke die schwierige Situation in der rot-schwarzen Koalition nicht gerade die Zufriedenheit der Bürger. "Streit wird immer kritisch bewertet, das war schon immer so."

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