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Berlins Polizeivizepräsident Marco Langner.

© imago/Christian Ditsch

Staatsanwaltschaft sieht keine Verleumdung: Den Polizeivizepräsident "Baron von Münchhausen" nennen ist keine Straftat

Ein Berliner Beamter sprach im Innenausschuss und twitterte. Polizeivizepräsident Langner fühlte sich beleidigt – die Staatsanwaltschaft stellte den Fall ein.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Vizepräsident Marco Langner ließen einen Beamten strafrechtlich verfolgen, nachdem dieser vom Innenausschuss des Abgeordnetenhauses angehört worden war. Es ging in der Sitzung am 6. Mai darum, warum und wie erkrankte Beamte vorzeitig zur Ruhe gesetzt werden.

Hinzu kam ein Tweet vom Polizei-Berufsverband „Unabhängige“, in dem Langner indirekt der Lüge bezichtigt wurde. Nun ist das Verfahren gegen den Beamten eingestellt worden – doch der Fall ist kurios.

Das Ermittlungsverfahren sei „durch Strafanzeige der Polizei und mit Strafantrag“ von Slowik und Langner „in Gang gesetzt worden“, sagte eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft dem Tagesspiegel. Anlass war ein Auftritt des Polizeibeamten Jörn Badendick im Innenausschuss.

Badendick ist Sprecher des Berufsvertretungsverbandes „Unabhängige in der Polizei“. Er berichtete dem Ausschuss über die Erfahrungen mit sogenannten Zurruhesetzungsverfahren. Denn es gibt Hinweise darauf, dass infolge der von Rot-Rot zur Jahrtausendwende ausgerufenen Sparjahre Beamte systematisch aus dem Dienst gedrängt wurden. Die Rede war auch von fingierten polizeiärztlichen Gutachten.  

Schließlich berichtete Badendick auch, dass Polizeibeamte in der Direktion 2 je nach gesundheitlichem Zustand in Kategorien eingestuft werden. Das erinnere ihn an die Einordnung von islamistischen Gefährdern, die ebenfalls in Kategorien eingeordnet werden, sagte Badendick. Dazu liegen auch interne Unterlagen aus der Direktion 2 vor.

Jörn Badendick ist Polizist und Sprecher des Berufs- und Personalvertretungsverbandes "Unabhängige".
Jörn Badendick ist Polizist und Sprecher des Berufs- und Personalvertretungsverbandes "Unabhängige".

© promo

In einer Präsentation vom Juli aus der Direktion ging es um „verwendungseingeschränkte Mitarbeitende“, aufgeführt wurden Kategorien für Mitarbeiter: Diese sollen demnach je nach ihren „individuellen Einschränkungen“ einer „aufgabenbezogenen Bewertung“ unterzogen werden. Die Kategorien reichen von „Mitarbeitende im Außendienst“ bis „Mitarbeitende im Innendienst mit Bürgerkontakt“.

Auch Langners Vertrauter war beteiligt

Mitverantwortlich für dieses lediglich in der Direktion 2 erdachte Modell ist auch Thomas Goldack, Vertrauter von Langner und Vizechef der Direktion. Ihm werden auch Avancen auf das in einigen Monaten frei werdende Amt des Direktionsleiters nachgesagt.

Im Innenausschuss widersprach Langner dem Beamten Badendick, eine Kategorisierung von gesundheitlich eingeschränkten Beamten gebe es nicht. Es gehe lediglich darum, die „leidensgerechten Arbeitsplätze personengerecht zu besetzen“. 

Dieses polizeiinterne Papier listet Kategorien für „verwendungseingeschränkte Mitarbeitende“ auf.
Dieses polizeiinterne Papier listet Kategorien für „verwendungseingeschränkte Mitarbeitende“ auf.

© Tsp

Oder wie Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) später erklärte: Für eingeschränkte Beamte sollen geeignete Arbeitsstellen gefunden werden, in denen sie „zumindest temporär beschäftigt werden können“. Mit den Kategorien sollen „Aufgabengebiete bestimmten Verwendungseinschränkungen leichter zugeordnet werden“ können.

"Ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit"

Nach der Sitzung setze Badendick über den Twitterkanal seines Verbandes „Unabhängige“ zwei Tweets ab. Beim Vizepräsidenten, also bei Langner, „scheint sich ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit verfestigt zu haben“, hieß es in einem Tweet. In einem weiteren Tweet wurde Langner als „Baron von Münchhausen“ bezeichnet.

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Sieben Tage danach verfasste Polizeivizepräsident Langner ein Schreiben an die „Unabhängigen“, auf dem offiziellen Briefpapier der Polizei Berlin, persönlich unterzeichnet von Langner. In dem Brief beschwerte sich Langner über die Tweets, diese seien „ehrverletzend, stillos und inhaltlich falsch“.

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Die Tweets des Berufsverbandes würden „das Ansehen der Polizei“ schädigen, schrieb der Vizepräsident. Die „unwahren und diffamierenden“ Äußerungen würden ihn, also Langner, „in die gedankliche Nähe eines Barons von Münchhausen rücken“, der als „Lügenbaron“ weithin bekannt sei. Und Langner erklärte, dass er „eine rechtliche Würdigung in Auftrag gegeben haben.“ Soll heißen: Langner ließ durch die Behörde, die er führt, einen Verdacht auf eine Straftat prüfen, die ihn in eigener, privater Sache als Person betraf.

Oder anders formuliert: Der Polizeipräsident fühlte sich persönlich beleidigt und veranlasste dann aber in seiner Funktion als Vizepräsident, also als stellvertretender Leiter der Behörde, dass gegen einen von 17000 Beamten dieser Behörde strafrechtlich vorgegangen wird. Die von Langner angekündigte Prüfung ging dann auch recht zügig voran, jedenfalls angesichts der Überlastung und der Überstunden bei der Polizei.

Staatsanwaltschaft sieht keine Verleumdung

Bereits einen Monat nach Langners Brief wurde der Fall bei der Polizei abgeschlossen und der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Auffällig ist an dem Verfahren allerdings, worauf sich das Kommissariat 341 des Landeskriminalamtes (LKA), zuständig für Straftaten von Polizisten, bei den Ermittlungen bezog.

Besagte Tweets des Verbandes wurden deutlich nach der Sitzung des Innenausschusses abgesetzt, nämlich am späten Nachmittag des 6. Mai. In der Anzeige wurde allerdings als Tatzeit 11.07 bis 14.07 Uhr angegeben und als Tatort die Niederkirchnerstraße 5 – also das Abgeordnetenhaus zu jener Zeit, als der Innenausschuss tagte und Badendick angehört wurde.

Die „B.Z.“ hatte bereits Anfang August über den Fall berichtet. Da erklärte die Staatsanwaltschaft, es sei ein Ermittlungsverfahren anhängig, der Tatvorwurf sei Verleumdung. Der Tagesspiegel wollte nun wissen, wie das Verfahren ausgegangen ist.

Auf die bereits vor knapp zwei Wochen gestellte Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Berlin hieß es nun, die Ermittlungen seien eingestellt worden. Basis dafür ist Paragraf 170 der Strafprozessordnung. Demnach werden Ermittlungen eingestellt, wenn kein Anlass für eine Anklageerhebung besteht – sich der von Slowik und Langner erhobene Vorwurf nicht bestätigt hat. 

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