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Berlin: Staatsschutz sieht zunehmende Gewaltbereitschaft der Autonomen

Fünf Tage nach dem Buttersäureanschlag auf das Nobelrestaurant "Maxwell" in Mitte vermutet der Staatsschutz weiterhin, dass der Überfall mit der Umstrukturierung des Kiezes zusammenhängt. Möglicherweise steckt aber mehr hinter der Aktion: Die autonome Szene ist in Aufruhr.

Fünf Tage nach dem Buttersäureanschlag auf das Nobelrestaurant "Maxwell" in Mitte vermutet der Staatsschutz weiterhin, dass der Überfall mit der Umstrukturierung des Kiezes zusammenhängt. Möglicherweise steckt aber mehr hinter der Aktion: Die autonome Szene ist in Aufruhr.

"Der Verrat eines Märchenprinzen", titelte die linksradikale Wochenzeitung "Interim" in einer ihrer letzten Ausgaben. Die Rede ist von Tarek Mousli, der in den achtziger Jahren als Leitfigur der Berliner "Revolutionären Zelle" an politisch motivierten Attentaten beteiligt gewesen sein soll. Seit November vergangenen Jahres sitzt er in Haft und erweist sich dort, wie "Interim" beklagt, als "offenbar nicht zimperlich": Mousli verrate ehemalige Gesinnungsgenossen. Wohl auf seinen Hinweis hat die Polizei am 19. Dezember bei einer groß angelegten Razzia im Kreuzberger Mehringhof nach Sprengstoff und Waffen gesucht. Obgleich nicht fündig geworden, hat sie bei dieser Gelegenheit drei weitere Personen festgenommen, darunter den Hausmeister des Mehringhofes. Die Kreuzberger BVV protestierte gegen das Vorgehen der Polizei, die bei der Durchsuchung nach Angaben der Mehringhof-Betreiber einen Sachschaden von rund 100 000 Mark anrichtete.

Gleichzeitig spricht der Staatsschutz von einer Zunahme der Gewaltbereitschaft in der linksradikalen Szene. Jüngste Beispiele sind neben dem "Maxwell-Überfall" die Serie von Brandanschlägen auf Luxusautos in den vergangenen Wochen. Ein Zusammenhang zwischen den Ermittlungen der Polizei und den jüngsten Aktionen sei jedoch nicht erwiesen. Das "Maxwell" war, damals noch in Kreuzberg, schon 1987 Ziel eines ähnlichen Überfalls. Brandanschläge gab es früher ebenfalls. Allerdings registriert der Staatsschutz eine Verschärfung: "Die Brandsätze kamen recht unkontrolliert zur Explosion", sagt ein Sprecher. "Damit wurde ein höheres Verletzungsrisiko in Kauf genommen." Freke Over hingegen, der bis 1995 in der autonomen Szene aktiv war und heute für die PDS im Abgeordnetenhaus sitzt, hält dagegen: "Das erzählt der Verfassungsschutz jedes halbe Jahr." Einen Zusammenhang zwischen Mehringhof und "Maxwell" sieht auch er nicht: "Heute sind ganz andere Leute aktiv als vor 15 Jahren."

Von einem Gewaltpotenzial wie in den achtziger Jahren kann offenbar keine Rede sein: Die Zahl der als gewaltbereit eingestuften Autonomen wird nach wie vor auf 200 geschätzt. Gerade deshalb ist die Empörung über die Razzia im Mehringhof groß, wo man von einer "pauschale Kriminalisierung der linken Szene" spricht. Jedenfalls hat der Polizeieinsatz, wie die Zunahme der Gewalt nahelegt, wenig zur Beruhigung der Gemüter beigetragen.

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