Berlin: Stadt der Schönheit
An diesem Wochenende ist die deutsche Hauptstadt das Zentrum des Kontinents. Prominente Bewohner über Orte und Kunst, die ihnen am Herzen liegen
Stand:
An diesem Wochenende kommt Europa nach Berlin, um das 50-jährige Jubiläum der Römischen Verträge zu feiern. Anlässlich der heutigen „Europa-Nacht der Schönheit“ auf der Museumsinsel und am Kulturforum haben wir prominente Berliner nach ihren schönsten Orten und Kunstwerken der Stadt gefragt.
Dieter Hoeneß, 54, Hertha-Manager
Die Mischung aus Szene, Kultur und entspannter Atmosphäre macht für mich die Schönheit der Stadt aus. Man hat hier viele Möglichkeiten auszugehen, kann sich aber auch gut zurückziehen. Für mich verbindet sich mit der charakterlichen zugleich eine optische Schönheit. Ich lebe jetzt seit zehn Jahren hier. In der Zeit ist die Stadt richtig schön geworden. Als Wahl-Münchner mag ich Biergartenatmosphären. Deshalb fühle ich mich im Café am Neuen See im Tiergarten wohl. Als ich nach Berlin kam und noch nicht so richtig was anfangen konnte mit der Stadt und keine Vorstellung von ihr hatte, da war das ein kleiner Anker. Ich hätte gar nicht vermutet, dass es hier so einen schönen Ort gibt. Ich finde es einen wunderschönen Platz, auch wenn es wie jetzt kahl draußen ist. Das Café ist ein richtig idyllischer Ort und Betreiber Roland Mari ein toller Gastronom, der auch mit dem Borchardt eine Institution geschaffen hat. Was ich ebenfalls an Berlin mag: Hier gilt das Motto „Leben und leben lassen“. Auch als bekannte Person wird man in Ruhe gelassen.
Joana Zimmer, 27, Sängerin
Wenn man blind ist, nimmt man Orte über die Akustik und den Geruch wahr, manche haben auch eine Aura. Ich halte mich in Berlin am liebsten in der Gegend um das Schloss Charlottenburg auf. Die Menschen dort sind sehr höflich und rücksichtsvoll, man wird nicht angerempelt. Im Park gehe ich oft joggen, dort habe ich mich auch auf meinen Berlin-Marathon vor drei Jahren vorbereitet. Ich könnte mir vorstellen, bald mal wieder einen zu laufen. Ansonsten sitze ich im Schlosspark auch gerne einfach nur auf einer Bank und lasse die Umgebung auf mich einwirken. Zu den verschiedenen Jahreszeiten hat sie einen ganz unterschiedlichen Geruch. Zurzeit riecht sie sehr frisch, man hat gar nicht das Gefühl, mitten in der Großstadt zu sitzen. Im Sommer mag ich den Geruch aber nicht so, da riecht man mehr die Abgase als die Natur. Neben dem Schlosspark gefällt mir auch der Hauptbahnhof. Kurz nach der Eröffnung habe ich ihn mit Freunden zum ersten Mal besucht, sie haben ihn mir beschrieben, er muss wohl sehr beeindruckend aussehen. Was ich schön finde: dass er sehr übersichtlich gegliedert ist und so groß. Ich halte mich nicht gerne in engen Räumen auf.
Joy Denalane, 33, Sängerin
Der für mich schönste Ort Berlins ist natürlich mein Zuhause: meine Wohnung in Charlottenburg. Dort ziehe ich mich gern zurück, sitze oft stundenlang vor dem Computer, surfe durchs Internet, um mir neue Inspirationen für meine Arbeit zu holen. Im Sommer mag ich den Volkspark Friedrichshain sehr gerne. Ich finde, der ist sehr schön angelegt, mit tollen Spielplätzen für die Kinder. Außerdem gibt es in der Nähe eine sehr gute Eisdiele, in der ich für meine Söhne immer Eis hole. Darüber hinaus mag ich den Teufelsberg in Kreuzberg. Dort habe ich in meiner Jugendzeit sehr viele Nächte verbracht. Ich traf mich mit Freunden, wir hatten Wein dabei, saßen auf dem Boden, redeten und blickten stundenlang über die Stadt. Noch heute setzt dieser Ort sehr viel Energie in mir frei, wenn ich da bin.
Peter Raue, 66, Vorsitzender des Vereins Freunde der Neuen Nationalgalerie
Mit der Beziehung zu einem Kunstwerk ist es wie mit der Liebe: Es fehlt der Maßstab, das Objektivierbare, warum eine Beziehung so besonders tief, ja unerschütterlich ist, – so wenig wie man die Liebe zu einem Menschen „objektiv“ erklären kann. 1982 hatte der Direktor der Nationalgalerie, Dieter Honisch, den Vorstand des Vereins der Freunde der Nationalgalerie nach New York gelockt, um uns zum mutig-tollkühnen Kauf des Werks „Who’s afraid of red, yellow and blue“ von Barnett Newman zu animieren. Im Garten der MoMA trafen wir auf den „Broken Obelisk“. Liebe auf den ersten Blick: Der muss nach Berlin! Ein Vierteljahrhundert später kam mit der MoMA-Ausstellung der „Broken Obelisk“ nach Berlin und wurde das Wahrzeichen des Ausstellung. Ein Abguss des Werks steht nun für zunächst zehn Jahre vor dem Eingang der Neuen Nationalgalerie. Das Außerordentliche dieses Kunstwerkes: Seine Unausdeutbarkeit. Seine Simplizität und Raffinesse: In eine Pyramide stürzt mit der Spitze voran ein gebrochener Obelisk. Die Pyramide: Totenkult und Auferstehungssymbol der Ägypter. Heiliger Ort. Unberührbar. Ein Obelisk – Symbol des Sieges – gebrochen wie der Stab Wotans droht in die Pyramide einzudringen: Götterdämmerung, Ende des Allerheiligsten. Barnett Newman schuf diese Arbeit unter dem Eindruck des Holocausts, widmet sie dem 1968 ermordeten Martin Luther King. Mich bewegt diese ebenso simple wie tiefgründige Botschaft des Werks. Und noch immer habe ich den Eindruck, der Obelisk könnte in die Pyramide eindringen, sie zerstören. Die Gefährdung der Menschheit, die Zerstörung von Totenkult und Totenruhe: Sie drohen nach wie vor. Wie ein Atemanhalten ist diese Arbeit: Hoffnung nährend, dass es nie geschehe.
Armin Petras, 37, Intendant
des Maxim-Gorki-Theaters
Einige Leute werden mich jetzt für nicht ganz bei Trost halten: Aber der Fernsehturm am Alexanderplatz ist zweifellos das schönste Kunstwerk Berlins. Uns verbindet eine lange Freundschaft. 1969, ich war fünf Jahre alt, zogen meine Eltern mit mir aus dem Sauerland nach Ostberlin, in die Mollstraße am Alex. Aus meinem Kinderzimmer habe ich 19 Jahre lang täglich den Turm angeschaut. Er war mein Nachbar, mein Kumpel und Bruder. Damals war es ja so, dass man als Kind in der DDR irgendwann kapierte, dass da eine Mauer war. Doch oben in der Kugel des Fernsehturms mit seiner grandiosen Aussicht, da wurde mir klar, dass es hinter der Mauer weitergeht. Später war ich oft dort, weil es der ideale Ort ist, um Damen zum Kaffeetrinken auszuführen. Wobei ich die Perspektive des Turms von unten nie verstanden habe. Seine Kugel sieht viel kleiner aus als sie in Wirklichkeit ist, nämlich so groß wie das Kirchenschiff von St. Marien, das in seinem Schatten auf dem Alexanderplatz steht. Wegen dieser Fähigkeit zur Täuschung halte ich den Turm für eine ziemlich lässige Type. Außerdem repräsentiert er Berlin. So lange ich mich erinnern kann, wird an ihm gebaut und gemacht. Genauso wie in Berlin ständig gebaut und gemacht wird. Aber ich hasse es, wenn der Turm, dieses große Kunstwerk der sozialistischen Moderne, mit Werbung beklebt wird. Das ist ganz schrecklich. Auf ein Bild von Hieronymus Bosch oder Breughel pappt man ja auch keine Werbung. Aufgezeichnet von Nana Heymann und Philipp Lichterbeck
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