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© Kai-Uwe Heinrich

HipHop: Abgesang auf Sidos Plattenfirma

Das Hip-Hop-Label Aggro Berlin hat im Internet sein Aus verkündet. Bekannt wurde die Firma vor allem durch indizierte Alben.

Auf der Internetseite von Aggro Berlin prangt ein Grabstein mit dem Logo des Labels, aus dem Boden ragt eine skelettierte Hand und reckt den Mittelfinger in die Luft. Mit diesem Bild verabschiedet sich Deutschlands umstrittenstes HipHop-Label von seinen Fans. „Die Plattenfirma schließt“, heißt es in der dazugehörigen Erklärung. Weil sie alles erreicht habe, was zu erreichen ist. Und weil es an der Zeit sei, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

Aggro Berlin ist nicht das erste HipHop-Label, das innerhalb kürzester Zeit von der Bildfläche verschwindet. Bereits im Februar schloss Rapper Kool Savas sein Label Optik Records. Und Ende vergangenen Jahres stellte Rap-Urgestein Markus Staiger Royal Bunker ein; mittlerweile ist er Chefredakteur der Internetplattform rap.de. An ein Ende der deutschen Hip-Hop -Szene glaubt er trotzdem nicht: „Sie ist schon tausendmal totgesagt worden und hat dann doch immer wieder Neues hervorgebracht.“

Markus Staiger sagt, er habe sich neuen Aufgaben widmen wollen – und das, obwohl die von ihm entdeckte Band K.I.Z. gerade zum großen Aufstieg ansetzte. „Die persönliche Müdigkeit nahm irgendwann überhand, der Spaß ging verloren. Das hat noch nicht mal was mit wirtschaftlichem Erfolg zu tun.“ Ähnliche Gründe vermutet er nun bei den Machern von Aggro Berlin.

Bei denen hatte alles vor neun Jahren begonnen. Damals taten sich Graffiti-Sprüher Specter, Breakdancer Spaiche und Ladenbesitzer Halil zusammen, gründeten Aggro Berlin als unabhängiges Plattenlabel. Als Logo diente ein rotierendes Sägeblatt. Die Botschaft:  Wir hauen alles weg, was sich uns in den Weg stellt. Die ersten Veröffentlichungen erfolgten auf Kassette. Auf „Aggro Ansage Nr. 1“ rappten Sido, B-Tight und Bushido.

Die Künstler von Aggro Berlin wurden zu den Königen der Schulhöfe. Lieder wie den „Arschficksong“ konnten Kids in ganz Deutschland mitrappen. Auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hörte sich die Stücke genau an – und indizierte insgesamt zehn Platten. Dem Image und Erfolg des Labels tat das jedoch keinen Abbruch.

Zum großen Star von Aggro Berlin avancierte Sido. 2004 landete er mit „Mein Block“ den Sommerhit des Jahres – eine kaputte Liebeserklärung an das Märkische Viertel. Dort wuchs der Künstler auf, der bürgerlich Paul Würdig heißt. Sein Album „Die Maske“ kletterte bis auf Platz drei der deutschen Charts. Das Märkische Viertel hat Sido inzwischen verlassen, er wohnt jetzt nicht mehr in einem heruntergekommenen Plattenbau, sondern in einer schicken Dachgeschosswohnung, und seine Platten erscheinen jetzt beim Großlabel Universal. Zuletzt moderierte er die TV-Castingshow „Popstars“.

Rapper Bushido, der Aggro Berlin 2004 im Streit verlassen hatte, zollt dem Label trotz der früheren Differenzen nun Respekt. Auf seiner Internetseite schreibt er: „Auch wenn ich keine guten Erinnerungen an die Leute habe, möchte ich mich trotzdem für die Anfänge bedanken. (…) Ich habe viel Spass am Wettbewerb gehabt. Außer Aggro Berlin und mir gibt es nichts Erwähnenswertes im deutschen Rap.“

Für Beobachter der Szene kommt das Aus nicht überraschend. „Die haben keine neuen Talente mehr finden und an die großen Erfolge von Sido anknüpfen können“, sagt ein Insider, der namentlich nicht genannt werden möchte. Zuletzt verabschiedete sich der zum stiernackigen Deutschen aufgebaute Rapper Fler von Aggro, um sich mit dem ehemaligen Erzfeind Bushido zu versöhnen. Dieser arbeitet mittlerweile mit Produzent Bernd Eichinger an der Verfilmung seines Lebens.

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