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Wedding

© David Heerde

Kiezmagazin: Neues vom Kurort Wedding

Das Magazin "Der Wedding" war zunächst ein Studentenprojekt. Die Macher wollen mit Vorurteilen aufräumen. Dafür zeigen sie Innenansichten ihres Kiezes in einem Hochglanzformat.

Neulich in einem türkischen Fischrestaurant nahe des U-Bahnhofs Nauener Platz, tief im Wedding. Axel Völcker und seine Kollegin Julia Boeck betreten das „Balikcir Reis“. Der Besitzer des Fischladens arbeite in der Türkei als TV-Komiker, erzählen sie, sei ein toller Koch und ein witziger Typ. Da stellt sich der Mann hinter dem Tresen auch schon vor: „Nennt mich Reis – so wie alle anderen hier im Wedding.“ Bitte, Reis? Ja, Reis, sagt er. Das bedeute im Türkischen – der Kiezboss.

Völcker und Boeck mögen solche Begegnungen, dieses Direkte und Ehrliche, Wedding eben. So heißt auch ihr 100 Seiten dickes Magazin, das sie zweimal im Jahr für knapp fünf Euro auf den Markt bringen, das nächste Mal im Februar. Es ist durchdesignt wie ein Hochglanzmagazin, im schicken Mitte-Style. In „Der Wedding“ aber geht es um ihren Kiez, der ein schlechtes Image hat, doch eigentlich genauso zentral liegt wie die anderen Szeneviertel der Stadt, Friedrichshain etwa oder Prenzlauer Berg.

Dort will die 28-jährige Julia Boeck gar nicht wohnen. Klar, sie trinkt dort auch mal einen Cappuccino, aber wenn sie dann wieder an all die coolen Typen mit Sonnenbrille denkt, die dort herumlungern und gesehen werden wollen – „das sind abstoßende und kalte Momente“. Lieber hält sie ein Plädoyer für einen Filterkaffee an der Osloer Straße.

Sie und der 30-jährige Völcker haben das Hochglanzmagazin in ihrem Kiez am Nauener Platz entwickelt. Statt Fotostrecken edler Pariser Modeschauen setzen sie etwa auf eine Fotoserie mit Innenansichten türkischer Kulturvereine. Sie portraitieren Studenten, die es wegen der billigen Mieten dorthin verschlagen hat. Gesprächsfetzen aus Kneipen werden im Telegrammstil veröffentlicht: „Schmeißte mir mal’n Ascher an’ Kopp!“ Oder: „Wie wär‘s mit einem Bier? Darf auch groß sein und das mal zwei.“

Gucken sie aus ihrem Büro, sehen die beiden Rügener den unaufgeregten Weddinger Alltag: Die Jungs in ihrem dicken BMW. Den Kampfhund. Den alten Mann, der an seinem Auto herumschraubt. Der Kommunikationsdesigner Völcker hat während seines Studiums mal Postkarten entworfen, die für den „Kurort Wedding“ warben. Kitschige Kurklinikmotive luden zu einer Serie von Spieleabenden in Kiezkneipen ein. Sein Credo: Augen auf.

„Ich habe ein halbes Jahr in Indien verbracht“, sagt Völcker, „da entdeckte ich den Reiz dessen, was zuhause vor der Tür passiert.“ Momentan arbeiten sie an der nächsten Ausgabe mit dem Thema „Verwandtschaft“. Dafür haben sie Sinti und Roma besucht. Aus dem Gespräch wurde ein großes Familienfest.

Das Magazin finden Sie im Internet unter:

www.derwedding.de/

Paul Vorreiter

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