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Stadtleben: Solo mit Schwester

Arnulf Rating tritt in den Wühlmäusen auf

Wenn Schwester Hedwig ihre Diagnosen stellt, wird Tacheles geredet. Energisch schwingt die Miss Wuppertal-Unterbarmen von 1956 ihre roten Zöpfe und piekt Patienten aus ganz Deutschland mit spitzen verbalen Nadeln: gute Medizin muss nun mal bitter schmecken. Jetzt werden „Schwester Hedwigs allerschwerste Fälle“ in den Wühlmäusen behandelt, Kabarettist Arnulf Rating steht dabei für erfrischende Nebenwirkungen auf Lachmuskeln und Geist.

Das Gründungsmitglied der legendären Berliner Anarcho-Kabarettgruppe „Die drei Tornados“ hatte zu seinem 30. Bühnenjubiläum 2007 eigentlich eine Best-of-Show geplant. Da aber die politische Gegenwart für Rating weiterhin viele Absurditäten parat hält, behandelt er in der Figur der zupackenden Schwester Hedwig überwiegend neue Fälle. Allerdings sind zu den Themen Datenschutz und Rechtsradikalismus auch zwei Nummern aus den Achtziger und Neunziger Jahren dabei. „Es ist erschreckend, dass gewisse Dinge nach wie vor aktuell sind. Das Letzte, was du als Kabarettist möchtest, ist, dass deine überzeichneten Visionen von früher einmal Realität sind“, sagt der 56-Jährige. Für den dreifachen Vater ist es wichtig, politisch in der ersten Person zu handeln, Verantwortung nicht zu delegieren. Das kann er auf der Bühne als kritischer Beobachter des politischen Geschehens oder auch als Mitveranstalter der noch jungen Lesebühne des Westens, kurz LeDeWe, die ab Juni im „Café Einstein“ in der Kurfürstenstraße zu Hause ist. Trotz 30 Jahre im Einsatz gegen Gesundheits-, Steuer- und Rentenreformen, gegen korrupte, opportunistische oder auch nur „doofe“ Politiker und Wirtschaftsbosse, glaubt Rating daran, „dass alles langfristig noch gut wird“. Die Gefahr, in dem jedes politische Kabarett schwebt, dass die Pointen und Karikaturen aufgrund der Entlastungsleistung des Lachens dauerhaft stabilisierend auf Missstände wirken, nimmt Rating in Kauf: „Ich hoffe, dass die Abende mit mir für mein Publikum so eine Art Gehirnjogging sind gegen alle sich stets viel zu schnell verfestigenden Standpunkte.“

Davon nimmt der Freund der Provokation sich nicht aus. Wie schon bei den Tornados kritisiert er auch die Bewegungen, mit denen er sympathisiert. Dazu gehören der Umweltschutz oder das Engagement für mehr direkte Demokratie, Demokratie, die sich nicht in erster Linie an den Regeln der Wirtschaft orientiert. Unabhängigkeit ist wichtig für Rating, er genießt sie in seinen Solo-Programmen, hat für mehr Autonomie vor Monaten sein Handy in einen Mannheimer Mülleimer geworfen. „Vermutlich ruft dort immer noch jemand an", lacht er. Persönliche Treffen aber sind ab morgen möglich, Schwester Hedwig steht bereit. Eva Kalwa

Arnulf Rating: Schwester Hedwigs allerschwerste Fälle. 4.-13.5. um 20 Uhr in den Wühlmäusen, Pommernallee 2-4, Kartentelefon 306 73 011

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