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Harfenist David Rescher und eine vergoldete Konzertharfe des Herstellers Camac. Das stolze Stück kostet 38 000 Euro, eine Leihharfe deutlich weniger.

© Thilo Rückeis

Gedenken an Louise Nordmann: Zupfen wie die Harfenjule

Sie war ein Berliner Original: Heute wird in Lankwitz der Musikerin Louise Nordmann gedacht. Ihr Lieblingsinstrument ist wuchtig und jetzt wieder gefragt - was auch an den Harry-Potter-Filmen liegt.

Perlend, glasklar und weich, so weich. Im Kopf wohnt der perfekte Harfenklang. Kann ja nicht so schwierig sein. Erstmal auf den Hocker setzen, die Knie in Position bringen und dann die riesige Konzertharfe an die rechte Schulter lehnen. Fühlt sich ziemlich eckig an das elegante Ding, auch die Saiten, alles andere als weich. Den ersten Akkord greifen und zupfen – ein garstig schepperndes Geräusch entfährt dem Instrument: pring, pring! Eine Elfe an der Harfe wird man offenbar nicht mal eben so.

Judy Kadar steht inmitten ihrer Harfen im Musikzimmer ihrer Steglitzer Altbauwohnung und amüsiert sich. „You have to work like a devil to play like an angel“, zitiert sie einen weisen Harfenistenspruch. Sie und ihre Kollegin Nancy Thym vom Verein zur Förderung historischer Harfen erinnern am heutigen Mittwoch mit 16 anderen Harfenisten an ein Berliner Original, Louise Nordmann, genannt die Harfenjule. Beim kleinen Platzkonzert zum 100. Todestag der Harfenistin an deren Gedenkstein auf dem Luther-Friedhof in Lankwitz harfen sie „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ und auch beim anschließenden Gedenkgottesdienst und Interessiertentreffen gibt es Musik und Geschichten von und über die Harfenjule.

Die Harfenjule ist heute fast vergessen, aber in der Kaiserzeit war sie berühmt. Theodor Fontane und Klabund haben über die Straßenmusikantin mit dem Strohhut und der vielfach geflickten Handharfe gedichtet und Heinrich Zille hat sie gezeichnet. Arme Wanderharfenistinnen, die wie Louise Nordmann Volkslieder und Moritaten für ein paar Groschen sangen, gab es im 18. und 19. Jahrhundert viele in Deutschland, aber keine wurde so bekannt wie die in Schöneberg lebende Berliner Harfenjule. Trotz der mechanischen Konkurrenz durch die überall herum ziehenden Leierkastenmänner war die populäre Harfenjule bis kurz vor ihrem Tod am 12. Januar 1911 auf den Hinterhöfen zu hören. „Bei Wind und Wetter“, schüttelt sich Judy Kadar. Sie ist 60, in Ungarn geboren, in New York aufgewachsen ist und lebt seit 1979 als Profimusikerin und Musiklehrerin in der Stadt. Für sie gehört die Harfenjule zu Berlin wie die 34 bis 47 Saiten zum Instrument. Eine Inspiration sei sie.

Nicht nur für sie. Auch Diplom-Harfenist David Rescher, der mit seinem Kompagnon Mike Dobek seit einem guten Jahr in Charlottenburg das einzige Harfenfachgeschäft in ganz Nord- und Ostdeutschland betreibt, hatte als Namensgeberin erstmal die Harfenjule im Sinn. Aber weil die Kunden auch aus Polen und Skandinavien kämen, wurde es dann doch die „Harfengalerie“. 980 bis 38 000 Euro kann man hier für eine Harfe anlegen, ausleihen kostet 25 Euro.

So wie die auf Alte Musik spezialisierte Judy Kadar, die an vier Musikschulen unterrichtert, hat David Rescher, der an der Musikhochschule Hanns Eisler einen Lehrauftrag hat, eine neue Begeisterung fürs Harfespielen ausgemacht. „Fast jede städtische Musikschule hat jetzt eine Klasse, da war vor zehn Jahren noch nicht dran zu denken“, sagt er. Das läge nicht nur an irischer Folkmusik auf der keltischen Harfe und der wachsenden Popularität der Harfe in Jazz und Pop, sondern auch an die Filmmusiken von Fantasyfilmen wie „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“, die kleine Mädchen und harte Rockmusiker an die Harfen treibt.

Obwohl die Mittelalterrocker von In Extremo neulich in der Harfengalerie eine E-Harfe gekauft haben, dominieren nämlich weiter Frauen das schon 4000 vor Christus erwähnte, in Haken- und Pedalharfen unterteilte Zupfinstrument. Warum? David Rescher zuckt die Schultern. Er ist jetzt 38, hat mit 13 zum ersten Mal in die Saiten gegriffen und wollte schon als Grundschüler eine Konzertharfe haben. „Riesig und golden, so wie ich sie mal im Fernsehen sah.“ Es sei einfach ein handwerklich edles, vielseitiges Instrument. „Der Obertonreichtum schafft den ätherischen Klang.“

Von dem ist nichts zu hören, wenn Judy Kadar wie die Harfenjule im Stehen auf einer kleinen Hakenharfe das Bolle-Lied spielt. Klingt eher wie ein Banjo. Die muntere Harfenistin pfeift auf die ganzen romantischen Klischees, die die Harfe prägen wie kein anderes Instrument. Harfe spielen fühle sich einfach gut an, sagt sie, „sinnlich und schön“.

Feierstunde und Gedenkgottesdienst für Louise Nordmann: Mittwoch 14.30 Uhr und 15 Uhr auf dem Luther-Friedhof, Malteserstraße 113 in Lankwitz. Die Harfengalerie liegt in der Gardes-du-Corps-Straße 3, Charlottenburg, Tel. 21 97 11 76.

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