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Grünes Paradies: Ein Laubenpieper wässert seinen Garten. (Archivbild)

© imago/Frank Sorge

Stadtplaner zu Streit um Kleingärten: „Laubenpieper verhalten sich asozial“

Die rot-rot-grüne Koalition will alle Berliner Kleingärten sichern. Doch Besitzer müssen nur wenig dafür tun. Das ist ungerecht, sagt ein Stadtplaner.

Von Fatina Keilani

Lange ist es her, dass Michael Müller als Bausenator die Berliner Kleingärten als Flächen für den Wohnungsbau heranziehen wollte. Inzwischen ist er Regierender Bürgermeister (SPD), und seine Partei hat sich den Schutz der Kleingärten zum Ziel gesetzt.

Es gebe einen Gesetzentwurf der Fraktionen der rot-rot-grünen Koalition im Abgeordnetenhaus, bestätigte der SPD-Baupolitiker Daniel Buchholz am Sonntag dem Tagesspiegel. Ziel sei es, den Bestand der Laubenkolonien dauerhaft zu sichern. In dem Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, steht: „Kleingartenflächen sind kein Bauerwartungsland.“ Das ist neu.

Auch den Fraktionen ist jedoch klar, dass die Laubenpieper für die Sicherung ihrer Paradiese etwas tun müssen – etwa die Kolonien der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Gemeinschaftsflächen der Kleingartenanlagen von April bis Oktober geöffnet werden sollen. Auch sollen modernere Formen des Gärtnerns „zulässig“ sein, etwa Urban Gardening. Und es soll künftig ökologisch gegärtnert werden.

Viele Parzellen werden nicht so bewirtschaftet, wie sich die Politik das wünscht – ein Garten mit Pool oder übergroßer Laube zum Beispiel bedeutet viel versiegelte Fläche, viel Rasen geht auf Kosten der ökologischen Vielfalt. „Kleingartenanlagen sind ökologisch aufzuwerten und weiterzuentwickeln“, heißt es in Paragraf 9 des Gesetzentwurfs. Alle zwei Jahre müssen Kleingärtner nachweisen, dass sie die Kleingartenfachberatung in Anspruch genommen haben. Übergroße Lauben müssen zurückgebaut werden. Neue Parzellen sollen nicht größer als 250 Quadratmeter sein.

Kleingartenflächen 14 Mal so groß wie der Große Tiergarten

Solange Berlin nicht wuchs, musste kein Kleingärtner um seine Scholle fürchten. Doch seit Jahren wächst die Stadt, und die Kleingärten, die eigentlich als Baulandreserve gedacht sind, gerieten in den Blick. Seit 2001 gingen 18 Prozent der Kleingartenfläche für Bauprojekte verloren, heißt es in der Begründung zu dem Gesetzesentwurf. Dieser Flächenschwund solle gestoppt werden.

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Dennoch hat Berlin immer noch viel Platz für Schrebergärtner: 71.000 Parzellen sind es derzeit, verteilt auf 877 Anlagen. Sie nehmen 2900 Hektar Fläche in Anspruch – der Große Tiergarten hat 210 Hektar, Berlins Kleingartenflächen sind also fast 14 Mal so groß. Eine Menge Platz für relativ wenige Menschen.

Von CDU bis Grüne und Linke: Keiner traut sich heran

Stadtplaner und Baupolitiker sehen das schon länger kritisch, wenn auch meist hinter vorgehaltener Hand. Nicht nur sie staunen, dass sich kein Politiker an die Laubenpieper herantraut. Von CDU bis Grüne und Linke haben sich die Fraktionen erst kürzlich wieder für die Kleingärten starkgemacht.

Wie groß darf's denn sein? Eine Laube in Mariendorf.
Wie groß darf's denn sein? Eine Laube in Mariendorf.

© Kitty Kleist-Heinrich

„Eigentlich verhalten sich die Laubenpieper asozial gegenüber der Stadt“, sagt ein Stadtplaner. Das Argument, die Anlagen stellten einen ökologischen Wert dar und seien so etwas wie die grüne Lunge der Stadt, teilt er nicht. „Das ist schön für den, der es hat, aber das sind ja nur wenige, die in den ungeheuren Luxus kommen, staatseigene Flächen für sich zu beanspruchen. Das ist hier aber eine Millionenstadt, warum sollen so wenige Menschen 14 Tiergärten beanspruchen?“

Kleingärten zur Hälfte bebauen: Potenzial für 300.000 Wohnungen?

Es sei doch viel sinnvoller, die Flächen zu vielen kleinen öffentlichen Parks zusammenzulegen, dann hätten alle etwas davon. Der Architekt geht noch weiter: „Wenn man von diesen 14 potenziellen Tiergärten nur sieben realisieren würde und die andere Hälfte bebauen würde, dann wäre das Wohnungsproblem gelöst, und wenn man es als Erbpacht an Genossenschaften abgäbe, würden auch sozialverträgliche Mieten entstehen.“

Auf der Fläche wären aus seiner Sicht rund 300.000 Wohnungen machbar, und „dann könnte man dem freien Wohnungsmarkt wirklich etwas entgegensetzen“. Er verweist auf die Stadt Wien als Beispiel. Dort gebe es sozialverträgliche Mieten auch für die Mittelschicht, nicht nur für Sozialhilfeempfänger, und schöne Wohnungen, der freie Wohnungsmarkt konzentriere sich auf das Luxussegment.

Eine Lösung könnte am Stadtrand liegen - oder in Brandenburg

Selbst frühere Baustadträte sagen längst inoffiziell, was sich die Politik nicht traut: Die zentralen Kleingärten sollten aufgegeben und Ausweichflächen am Stadtrand – im Zweifel hinter der Landesgrenze – zur Verfügung gestellt werden.

Hamburg hat nicht mal halb so viele Kleingärten wie Berlin bei mehr als halb so vielen Einwohnern und kaum weniger Fläche (755 zu 891 Quadratkilometer). Auch Hamburg wächst. Hamburg schafft neue Kleingärten jedoch hauptsächlich durch Nachverdichtung, um Flächen für den Wohnungsbau freizubekommen.

Kleingartenplan sichert die meisten Parzellen bis 2030

Bisher hat Berlin kein eigenes Gesetz, wohl aber den Kleingartenentwicklungsplan, der im April verabschiedet wurde. Er sichert einen Großteil der Parzellen bis 2030, hat allerdings noch nicht den Rat der Bürgermeister passiert. Nach dem Kleingartenentwicklungsplan sollen 82 Prozent der Parzellen dauerhaft erhalten bleiben. Welche das sind, trotz der dringend benötigten Bauflächen für Kitas, Schulen, Verkehrswege und Wohnungen in der kräftig wachsenden Stadt, darüber wurde lange gestritten.

Knapp zehn Prozent von Berlins Kleingärten, 6915 Parzellen mit einer Fläche von rund 277 Hektar, „sollen nicht vor dem Jahr 2030 für andere Nutzungen in Anspruch genommen werden“ – für diese Flächen wäre die Schutzfrist eigentlich mit dem Jahr 2020 abgelaufen. Unter diesen „erweiterten Schutz“ fallen 20 landeseigene Kleingartenanlagen, die zuvor noch im Stadtentwicklungsplan Wohnen als mögliche Baufläche („Potenzialfläche mit Prüfauftrag“) ausgewiesen waren. Käme das Gesetz, wäre das Thema auch nach 2030 erledigt.

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