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Früher gehörte ihr Haus einer "alten Dame" aus Charlottenburg. Heute kommt der Eigentümer aus dem reichen Baden-Baden. Die drei Mieter sind besorgt angesichts der "Vertreibung" der alten Mieter.

© Doris Spiekermann-Klaas

Rot-rote Koalition: Streit um Mietenpolitik in Berlin

Der durchschnittliche Quadratmeterpreis ist in den vergangenen zwei Jahren in Berlin deutlich gestiegen. Die Linke behauptet, dass die SPD-Senatorin die Zahlen des neuen Mietspiegels lange geheim hielt.

Von Sabine Beikler

In der rot-roten Koalition gibt es Krach um die Mietenpolitik. Am Montag will Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) den neuen Mietspiegel vorstellen. Demnach ist der durchschnittliche Quadratmeterpreis in den vergangenen zwei Jahren von 4,83 Euro auf 5,10 Euro erhöht worden, eine Steigerung von fast sechs Prozent. „Wir wollten seit langem die Zahlen bekommen. Stattdessen hat Junge-Reyer sie geheim gehalten. Wir ärgern uns darüber massiv“, sagte am Samstag Udo Wolf, Fraktionschef der Linken, dem Tagesspiegel.

Offiziell wollte Junge-Reyer die Zahlen im neuen Mietspiegel noch nicht bestätigen. Der Ärger der Linken rührt aber generell von der Informationspraxis der Verwaltung her. Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) wartet seit Wochen auf die Zahlen, um neue Richtwerte für die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger vorzulegen. Das schaffe Rechtssicherheit für die Betroffenen und verhindere Zwangsumzüge, sagt Wolf. Die vorherigen Richtlinien hielten vor Gericht nicht stand.

Am Tag der offenen Tür wollten am Sonnabend im Abgeordnetenhaus auch viele Besucher mit den Politikern über steigende Mieten debattieren. Ein junger Mann erzählte in der Gesprächsrunde mit allen fünf Fraktionen, dass er am Kottbusser Tor in Kreuzberg in einer Wohnung des sozialen Wohnungsbaus lebe und seine Miete um 17 Prozent erhöht worden sei. „Das Problem trifft alle Mietparteien. Wer kann sich das noch leisten? Und was tun Sie alle, damit ich da noch leben kann?“

SPD-Fraktions- und Parteichef Michael Müller (SPD) gestand ein, dass es „moderate Mietsteigerungen“ immer geben werde. Allerdings habe man die „absurde Situation“, dass gerade in den ehemals hoch subventionierten Sozialwohnungen die Mieten überproportional steigen würden. Das könnten sich viele nicht leisten. Man würde versuchen, mit Initiativen auf Bundes- und Landesebene, mit Neubauten oder auch Umzugshilfen gegenzusteuern.

Durch eine Bundesratsinitiative will der Senat erreichen, dass Eigentümern nur noch Mietanhebungen von 15 Prozent in vier Jahren statt bisher 20 Prozent in drei Jahren erlaubt sein sollen. Auch die Modernisierungsumlage soll von elf auf neun Prozent reduziert werden. Auf Landesebene will die SPD die Zahl der landeseigenen Wohnungen von 270 000 auf 300 000 erhöhen. Mit einem in der Koalition sehr umstrittenen Wohnraumgesetz will der Senat die Mietsteigerungen im sozialen Wohnungsbau eindämmen. Zu drastischen Erhöhungen kommt es, wenn die Förderung ausläuft: Dann kann schlagartig die Kostenmiete verlangt werden, bis zu 19 Euro pro Quadratmeter und Monat. Und das betrifft rund 160 000 Sozialwohnungen. Um die Kostenexplosion zu stoppen, setzt Junge-Reyer auf Freiwilligkeit. Als Köder dient Eigentümern ein Preisnachlass von bis zu zehn Prozent auf gewährte Darlehen. Zahlt ein Eigentümer sie vor Ablauf der Frist zurück, muss er nicht die komplette Summe zurückzahlen. Er muss sich aber verpflichten, nicht mehr Miete zu verlangen als vergleichbare Wohnungen.

Der Linken reicht das nicht. „Das betrifft nur 50 Prozent der Bestände“, sagt Wolf. Auch das Verdrängungsproblem in den Kiezen löse man damit nicht. Die Linke will eine generelle Neuberechnung der Kostenmieten prüfen.

Den nächsten Ärger in der Koalition gibt es auch schon. Es geht um die geplante Kündigungsschutzverordnung. Die Linke will bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einen Kündigungsschutz von zehn Jahren, die SPD von sieben Jahren. Auch die Wiedereinführung der Zweckentfremdungsverbotsverordnung, um der Umnutzung von Wohnungen, insbesondere für gewerbliche Ferienwohnungen, entgegenzutreten, steht auf der rot-roten Agenda. Das fordern auch die Grünen. Rot-Rot habe aber bisher weder das Problem gelöst, wie Mieterhöhungen bei den Wohnungen im sozialen Wohnungsbau begrenzt werden können, sagt Grünen-Wohnungspolitiker Andreas Otto. Noch habe die Koalition die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in den Milieuschutzgebieten begrenzt.

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