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Berlin: Studenten auf dem Baum: Protest am Roten Rathaus

An den Universitäten aber sind die Seminare wieder voll

Den InfoPool-Tisch, der seit Wochen vor dem Audimax der Humboldt-Universität im ersten Stock stand, haben sie ins Erdgeschoss getragen. Dort muss ihn jeder wahrnehmen. Aber die Studenten laufen daran vorbei – in ihre Seminare. Laut Abstimmung der Vollversammlung am Montag „streikt“ die HU weiter – an immerhin vier Tagen der Woche. Aber nur der harte Kern trägt den Beschluss. Die Studentenführer von 2003 nächtigen nach wie vor im Ostflügel des Hauptgebäudes. Nicht Protesttage hätten sie beschlossen, erklären die Aktivisten unermüdlich, sondern „Streik“. Aber was, bitte schön, heißt das eigentlich, wenn alle wieder studieren?

Streik an einer Universität müsste heißen: Seminare und Vorlesungen fallen aus, Streikposten riegeln die Gebäude ab, damit die Kommilitonen Zeit haben für Aktionen. So lief es wochenlang zumindest an Instituten der Technischen Universität, der Humboldt und der Freien Universität. Und tatsächlich brodelte der Studentenprotest täglich an jeder Ecke der Stadt.

Aber die heiße Phase ist vorbei. Die Humboldt-Aktivisten möchten weiter blockieren und besetzen, aber sie müssen zugeben: „Wir sind viel zu wenige.“ Das gleiche Bild an TU und FU: Die Studenten sitzen wieder in ihren überfüllten Seminaren, gegen die sie seit Anfang November auf die Straße gegangen waren. Nun geht es darum, das Semester zu retten, Stoff nachzuholen. An der TU sagt ein arbeitsloser Streikposten: „Die Kräfte müssen jetzt eingeteilt werden.“ Gegen die Gebäudebesetzungen hat der Präsident gedroht, die Polizei zu holen.

Aber halt! Zur gleichen Zeit sitzen johlende Studenten im gekappten Wipfel des morschen Tannenbaums vor dem Roten Rathaus. Gestern Morgen sollte der abtransportiert werden. Die zehn Aktivisten hatten zwei Forderungen: Die Tanne soll als Streiksymbol stehen bleiben. Die Fakultät für Agrarwissenschaften übernähme die Kosten und den späteren Abtransport. Und einen Runden Tisch mit dem Regierenden Bürgermeister Wowereit wollen sie. „Klaus, komm raus!“, krächzen die Besetzer vom Baum hinunter, dem Kommilitonen im Dezember die Spitze abgesägt hatten. „Gekürzt“ – wie der Haushalt der Unis. Doch Klaus will nicht herauskommen, und nach fünf Stunden guten Zuredens durch die Polizei beginnen die durchgefrorenen Studenten den Abstieg. Der Baum ist dahin, doch die Kürzungen wurmen sie weiter.

Jetzt heißt es an den Berliner Unis: Prosteste sind gut, Streik ist wichtig – aber das eigene Studium zu blockieren, bringt nichts. „Protest ist unsere Form von Streik“, versucht Erik Schulz von der Universität der Künste die Begriffsverwirrung zu klären. „Die große Mehrheit“ der 200 bei der Vollversammlung anwesenden Kunststudenten beschloss ihre Aktionen bis zum 22. Januar zu verlängern. Und heute gibt es wieder eine Studenten-Demo durch Mitte: 500 Teilnehmer sind angekündigt. ksf, sl, -ry, jmw

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