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Ein Laptop und ein Kasten Club Mate machen noch keine gute Geschäftsidee.

© Getty Images

Gründerszene in der Hauptstadt: Sucht euch endlich einen richtigen Job!

Berlins Start-ups geben sich innovativ und unkonventionell. Doch ein Laptop und ein Kasten Club Mate machen noch keine gute Geschäftsidee. Ein Kommentar.

Das Wichtigste vorweg: Es ist gut, dass Berlin Gründer aus aller Welt anzieht. Es ist bewundernswert, wenn Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, Ideen haben, Dinge ausprobieren, Firmen aufbauen und Verantwortung übernehmen – für sich selbst und für ihre Mitarbeiter. Wenn sie leidenschaftlich Produkte entwickeln, Investoren begeistern und neue Märkte erschließen, statt Aktenstaub zu schnüffeln und Dienst nach Vorschrift zu schieben.

So jedenfalls präsentieren sich Berlins Jungunternehmer gern. Näher betrachtet scheinen aber größere Teile der Szene vor allem damit beschäftigt zu sein, ihr eigenes Unternehmertum zu feiern und der zahlenden Kundschaft Unsinn anzudrehen. Ein merkwürdiger Name, ein paar Gigabyte Amazon-Webspace und ein Angebot, so nützlich wie eine mittelschwere Migräne und so innovativ wie ein feuchter Feudel – fertig ist das Berliner Start-up!

Wie etwa konnten die Gründer des Start-ups Soul Zen auf die Idee kommen, dass den Konsumenten dieser Welt eine „Online-Destination für Achtsamkeit, Spiritualität und ausgesuchtes Design“ fehlt? Dass es außerhalb von Kreuzberg einen Markt für „Räucherstäbchensets“, „Mondphasen-Karten“ und „Yogamatten“ gibt? Sieht so die „disruptive Innovation“ aus, von der Gründer so gerne sprechen? Eine Investorengruppe befand: unbedingt! Und investierte einen Millionenbetrag. Im Juni dieses Jahres war dennoch Schluss mit Eso-Shopping, das Start-up meldete Insolvenz an.

Die Gründer wird dieser Wink des Marktes vermutlich nicht davon abhalten, sich weiterhin für die bessere Variante von Amazon zu halten. Denn wenn Berliner Gründer eine Tugend vermissen lassen, dann ist es Bescheidenheit. Dabei sind die ständigen Vergleiche mit US-Tech-Größen größenwahnsinnig und peinlich. Kürzlich war von den Inhabern der Plattform Hygh zu lesen, die digitale Reklameflächen vermittelt, sie hätten sich vorgenommen, das „Airbnb unter den Außenwerbefirmen“ zu werden.

Wie wäre es mal mit einem Tinder für polyamouröse Antilopen? Einem Spotify für Walgesänge? Und wann kommt endlich das Ebay für ausrangierte Nasenpopel? Ich bin mir sicher, es fänden sich ein paar Gründer-Bubis, die das für aussichtsreiche Geschäftsmodelle halten. Dem Entreprenööör ist nix zu schwör.

Oder doch? Das Berliner Start-up Panono hatte versprochen, endlich den Menschheitstraum einer Wurfkamera zu verwirklichen. Mehrere Millionen Euro sammelten die Berliner bei Anlegern für die Entwicklung und Produktion der 360-Grad-Kamera ein. Es blieb dann allerdings beim bloßen Versprechen: Zwar knöpfte die Firma ihren Kunden 2000 Euro für das Gerät ab, warnte sie gleichzeitig aber inständig davor, den Apparat zu werfen. „Wir haben die Herausforderungen bei der Herstellung einer bruchsicheren Panono unterschätzt. Neben dem Material und der Hülle muss natürlich auch die Elektronik stabil genug sein“, erklärte einer der Gründer.

Schon klar, der Online-Händler Zalando macht mittlerweile ordentlich Asche und auch Hellofresh soll in der Nähe von schwarzen Zahlen gesehen worden sein. Die Mehrheit der Berliner Gründer aber fällt nicht durch gute Geschäftsergebnisse auf, sondern durch Maulheldentum. Sucht euch endlich einen richtigen Job!

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