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Süße Sünde: Warnt mich vor veganem Kuchen!

Himbeerschnitte ohne Sahne? Brownies ohne Ei? Wenn andere ohne tierische Produkte zufriedener leben: schön und gut. Ich aber will beim Konditor sündigen.

Von Maris Hubschmid

Das Glück ist geschichtet. Gestreuselt. Glasiert. Ich kann es sofort haben oder mitnehmen. Zitronenmousse? Erdbeer-Basilikum? Johannisbeer-Baiser? Einmal den da, bitte. Ich sage das oft. Kein Genuss ist vergänglich, denn der Eindruck, den er hinterlässt, ist bleibend. Und das Leben ist zu kurz.

Um veganen Kuchen zu essen! „Huch, was stimmt denn mit dem nicht?“ Zuletzt hatte ich mich für eine flache Heidelbeer-Kreation entschieden – oder soll man sagen: Kreatur? Einfaches Auswahlkriterium: Die kannte ich noch nicht. Ich habe sie mich etwas kosten lassen, in einem bewährten Café in der Nachbarschaft knapp vier Euro auf den Tresen gezählt. Ein annehmbarer Preis für das Glück, ein happiger für das hier. Ungläubig steche ich meine Gabel ein zweites Mal in die blasslilafarbene Masse, die das Prädikat cremig nicht verdient, glibbrig und unkooperativ ist. Auch geschmacklich eine einzige Irritation. Und das nennt ihr Kuchen? Püriertes Müsli trifft es eher.

Bitte, ihr Kellner und Verkäufer, Köche und Bäcker: Warnt mich vor veganem Backwerk! Schön und gut, dass es Menschen gibt, die ohne tierische Produkte zufriedener durchs Leben gehen. Auch weiß ich wohl: Manche verzichten notgedrungen. Ich will aber nicht verzichten, ich kehre beim Konditor ein, um zu sündigen. Zwischen saftigen Brownies und zartschmelzendem Cheesecake einen rohen Karotten-Kokos-Kuchen zu verstecken, ist perfide Verbrauchertäuschung, wenn er nicht mit einem „Achtung!“-Schild versehen ist.

Alles kreist um Veganer

Mithin wird sehr wohl schriftlich erklärt, was sich da verheißungsvoll türmt. Doch in vielen Auslagen ist die Fluktuation groß, gerät manches durcheinander. Nur selten spiegeln die Kärtchen tatsächlich das aktuelle Angebot wieder. In einer Bäckerei passierte mir wenig später das gleiche wie zuvor mit dem lilafarbenen Unfall: Die Himbeerschnitte war eine Attrappe.

Ich habe es satt, dass in der Kulinarik alles zunehmend um Veganer kreist. Wer durch Mitte, Prenzlberg und Kreuzberg, aber auch Charlottenburg oder Pankow spaziert, dem wird überall Veganes angeboten. Kaum eine Tafel, die ohne den Zusatz auskommt: „Auch vegan!“ Die Angst der Gastronomen, Umsatz zu verlieren, wenn nicht wenigstens eine kastrierte Speise auf der Karte steht, scheint enorm. Ernährt sich in einer Clique nur eines von zehn Mädels vegan, kommt im Vorfeld der Verabredung mit Sicherheit die Frage: Gibt es da Veganes? Kann die nicht eindeutig mit Ja beschieden werden, fällt das Lieblingscafé als Treffpunkt leider aus. Veganer bestimmen unser Leben!

Maris Hubschmid.
Maris Hubschmid.

© Doris Spiekermann-Klaas

Mit welchem Recht? In einer vergangenes Jahr erschienenen, repräsentativen Ernährungsstudie waren Veganer einzig in der Altersgruppe der 18 bis 39-Jährigen mit zwei Prozent überhaupt messbar. In den einschlägigen Berliner Stadtteilen liegt der Anteil mutmaßlich höher. Dennoch geht die Omnipräsenz veganer Kost gegen jede Verhältnismäßigkeit. Der Normalfall bin ich! Es ärgert mich, dass ich vorsorglich sagen muss: Bitte nichts Veganes, sondern mit allem drin, was schmeckt. Nicht selten äußern andere Kunden dann amüsiert Zustimmung.

Wer will guten Kuchen backen...

Kürzlich erzählte mir meine Großmutter am Telefon von ihrem ganz persönlichen Glückserlebnis. Kerrygold war im Angebot, also hat sie sich zwölf Päckchen auf Vorrat mitgenommen. Für sie, Kriegskind, bleibt der höchste Tortengenuss ein Frankfurter Kranz mit fingerdick Buttercreme.

Auch das ist extrem. Aber jeder weiß doch: Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben Sachen. EIER und SCHMALZ, Zucker und Salz, MILCH und Mehl... Wären schon mal drei tierische Erzeugnisse, die natürlich im Idealfall nicht aus Massentierhaltung stammen, aber zu einem echten Kuchen gehören. Alles andere ist schnöder Ersatz. Muckefuck. Persipan.

Jetzt, wo es wärmer geworden ist, haben endlich die Eisdielen wieder geöffnet. Gehe ich eben an den Konditoreien vorbei und gönne mir statt des Kuchens ein, zwei Kugeln. Oh Schreck: „Veganes Eis!“, wirbt ein Aufsteller vor meiner Lieblingsdiele. Beim näheren Hinsehen sind es – Erleichterung! – dann doch bloß die Fruchtsorbets, die sie immer schon hatten. So herum soll mir die Verbrauchertäuschung recht sein. Aber wehe, ihr vergreift euch an meinem Joghurteis. Die Angst, Umsatz zu verlieren, wenn nicht wenigstens eine kastrierte Speise auf der Karte steht, scheint enorm.

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